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Wirtschaftsmythen contra Fakten – Teil 2

Für ihr Steuerkonzept braucht die GEW gesellschaftliche Mehrheiten. Um diese zu gewinnen, müssen falsche Vorstellungen der Steuerpolitik korrigiert werden. Im Februar setzt die "E&W" daher die Serie "Wirtschaftsmythen contra Fakten" fort.

Die alljährliche Empörung ist garantiert: Denn Jahr für Jahr vermeldet das Bundesfinanzministerium einen Rekord bei den Steuereinnahmen. Und alljährlich lassen interessierte Kreise das große Gejammer folgen – nach dem Motto: Der gierige Staat belaste den armen Steuerzahler mehr denn je. Dieser Mythos ist ein Beispiel, wie aus Statistiken politische Unwahrheiten entstehen. Das Gerede suggeriert, wir erlebten die härteste Steuerbelastung aller Zeiten. Genau das ist aber nicht der Fall.

Formal gesehen ist es zwar korrekt, von einem Steuerrekord zu sprechen. Irreführend aber sind die politischen Schlussfolgerungen. Steigende Steuereinnahmen sind nämlich eine Selbstverständlichkeit, eine absolute Normalität in einer wachsenden Wirtschaft und keinesfalls ein Anzeichen für eine höhere Steuerlast. Deutschland verzeichnete seit 1970 in 43 von 47 Jahren Rekordsteuereinnahmen. Nur viermal ging das Aufkommen zurück. Dreimal sorgte dafür die rot-grüne Bundesregierung Anfang des Jahrtausends mit Steuerentlastungen. Einmal brachen die Steuereinnahmen wegen der Finanzkrise ein.

Politik entlastet vor allem Spitzenverdiener

In den anderen 43 Jahren hat die Politik jedoch nicht ständig die Steuern erhöht: Die Einnahmen gehen nach oben, weil die deutsche Volkswirtschaft wächst und die Preise steigen. Auch das Bruttoinlandsprodukt stellt einen Höchstwert nach dem anderen auf. 1991 lag es bei 1,6 Billionen Euro, heute bei weit über drei Billionen Euro. Spricht irgendjemand davon, dass die Wirtschaft einen Rekord nach dem anderen erzielt? Auch bei den Steuern sollte man das lassen.

Die Belastung der Menschen kann man nur sinnvoll erfassen, wenn man die Steuerzahlungen in Relation zum Einkommen setzt. Die Steuerquote, also das Verhältnis des Steueraufkommens zum Bruttoinlandsprodukt, ist zuletzt etwas gestiegen. Sie liegt aber deutlich niedriger als Mitte der 1970er Jahre oder Ende der 1990er Jahre – und keinesfalls auf Rekordniveau. In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat die Politik gerade die Spitzenverdiener massiv entlastet.