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Wir nehmen die neue Bundesregierung in die Pflicht

Mit einem starken Plädoyer für die Reform der Karrierewege in Hochschule und Forschung ist die 7. Wissenschaftskonferenz der GEW zu Ende gegangen. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen berechenbare Perspektiven und stabile Beschäftigungsbedingungen, forderte Andreas Keller zum Abschluss der Tagung.

Keller gab sich optimistisch: „Nie war die Chance für Veränderungen so zum Greifen nah wie jetzt“, so der stellvertretende Vorsitzende der GEW. Drei der in den neuen Bundestag gewählten Parteien haben im Wahlkampf gefordert, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu ändern, um Zeitverträge in der Wissenschaft zurück zu drängen. Auch CDU und CSU haben in ihrem Regierungsprogramm angekündigt, Befristungen im akademischen Mittelbau abzubauen.

„Wir werden die Parteien beim Wort nehmen und jetzt schnell auf die Bundestagsfraktionen zugehen“, kündigte der GEW-Hochschulexperte an. Dabei werde es neben den Beschäftigungsbedingungen auch um mehr Geld für die Hochschulen gehen. „Der Bund muss die Hochschulen auf die Dauer und in der Fläche mitfinanzieren können“, forderte Keller. Dafür müsse die neue Bundesregierung eine Änderung des Grundgesetzes auf den Weg bringen.

Auf der europäischen Ebene hingegen steht die Debatte um die Beschäftigungsbedingungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern noch ganz am Anfang, wie bereits am Freitag auf der Wissenschaftskonferenz Dagmar Meyer berichtete, die in der Vergangenheit für die Europäische Kommission gearbeitet hat. Und das, obwohl es bereits seit 2005 die „Europäische Charta für Forscher“ gibt.

Etwas Wasser in den Wein goss auch Anke Lipinski vom Center of Excellence – Women and Science (CEWS), die in einer Analyse der Europäischen Charta herausstellte, dass hier teilweise lediglich bereits geltendes Recht wiederholt oder unverbindliche Forderungen formuliert werden. Gerhard Duda von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) betonte, dass die HRK die europäische Charta bereits als eine der ersten Institutionen unterschrieben hat. „Wir haben unsere Mitglieder mehrfach aufgefordert, aktiv zu werden“, so Gerhard Duda, „jetzt sind die Hochschulen dran.“ Und er ergänzte: „Fordern Sie Ihre Personalabteilungen auf aktiv zu werden.“ Andreas Keller versprach für die GEW: „Das werden wir tun!“

Bologna-Reform hat Lehrbedingungen weiter verschlechtert

Der letzte Tag der Wissenschaftskonferenz stand ganz im Zeichen der Lehre. Choni Flöther vom Internationalen Zentrum für Hochschulforschung (INCHER) an der Universität Kassel stellte die Ergebnisse der Studie „Wandel von Lehre und Studium an deutschen Hochschulen – Erfahrungen und Sichtweisen der Lehrenden“ (LESSI) vor. Die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge bedeutet für die Lehrenden demnach erheblich mehr Arbeit für Prüfungen, Betreuung und Beratung. Diese Mehrarbeit werde vor allem vom Mittelbau getragen, so die Hochschulforscherin. Dabei arbeiteten viele wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weit über ihre vertragliche Arbeitszeit hinaus. Über die Bologna-Reformen in Studium und Lehre ziehen die Lehrenden eine dementsprechend äußerst kritische Bilanz: Die Mehrheit ist der Meinung, dass sich sowohl die Studienbedingungen, als auch ihre Arbeitsbedingungen durch die Reformen nicht nur nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert haben.

Nach wie vor sind für eine Karriere in der Wissenschaft die Leistungen in der Forschung entscheidend, die Lehre fristet ein Schattendasein. Dies ist eines der Ergebnisse eines Forschungsprojektes an der Universität Bielefeld, das Wiebke Esdar auf der Wissenschaftskonferenz vorstellte. Trotzdem sind viele Lehrende hoch motiviert und engagieren sich für eine gute Lehre – häufig durch Arbeit in der Freizeit und auf Kosten der wissenschaftlichen Reputation. „Meine vielen Lehrpreise haben meinem wissenschaftlichen Renommee eher geschadet als geholfen“ – so hatte Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (wzb), bereits am Mittwoch dieses Problem auf den Punkt gebracht.

Der Reformdruck unter den Beschäftigten in der Wissenschaft ist groß. Das haben auch die leidenschaftlichen Debatten auf der Wissenschaftskonferenz gezeigt. Gleichzeitig haben viele Beispiele aus dem In- und Ausland den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Mut gemacht. „Manches, was wir in Deutschland verkrampft diskutieren, wird in anderen Ländern schon gemacht“, so stellte Andreas Keller mit Blick auf die Berichte aus den Niederlanden und Österreich fest. Gleichzeitig sei deutlich geworden: „Nicht überall, wo Tenure Track draufsteht, ist auch Tenure Track drin. Wir brauchen keinen Tenure Track für Professorinnen und Professoren“, so der stellvertretende GEW-Vorsitzende mit Blick auf das Modell der LMU München, „wir brauchen einen Tenure Track für Postdocs, der die Qualifizierungsphase nicht verlängert, sondern früher als heute berechenbare Perspektiven in der Wissenschaft öffnet.“