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Befristung an Hochschulen

„Wir haben nichts zu verlieren außer unseren Kettenverträgen“

Das Bündnis „Frist ist Frust“ hat am 5. April 2019 vor dem Dienstsitz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Berlin für die Weiterentwicklung des Hochschulpakts zu einem „Entfristungspakt“ demonstriert.

Unter dem Motto „Frist ist Frust“ kämpft die GEW gemeinsam mit ver.di und dem Netzwerk gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss) für Dauerstellen für Daueraufgaben in der Hochschullehre. Am 5. April 2019 hatten die Bündnispartner zu einer Protestaktion vor dem Berliner Dienstsitz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Berlin aufgerufen. Grund dafür waren die Verhandlungen der zuständigen Staatssekretärinnen und Staatssekretäre des Bundes und der Länder über die Zukunft des Hochschulpakts.

„Die Chance, mit dem Hochschulpakt eine Trendwende für bessere Beschäftigungs- und Studienbedingungen einzuleiten, darf die Politik nicht verschlafen! (Andreas Keller)

Zentrale Forderung des Bündnisses „Frist ist Frust“ ist es die finanziellen Mittel des Hochschulpakts vollständig für die Schaffung von Dauerstellen mit fairen Arbeitsbedingungen einzusetzen. Dass der Appell ein Echo auslöst, zeigen die Zahlen: Fast 9.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner unterstützen das Anliegen bereits mit einer Online-Petition. „Die Beteiligung an der Kampagne zeigt, wie groß der Frust über die Kettenbefristungen in der Wissenschaft ist. Die Chance, mit dem Hochschulpakt eine Trendwende für bessere Beschäftigungs- und Studienbedingungen einzuleiten, darf die Politik nicht verschlafen“, sagte Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender und Hochschulexperte der GEW.

Protestaktion im Rahmen der Kampagne "Frist ist Frust" am 5. April in Berlin (Foto: Kay Herschelmann).

Laut Presseberichten erwägt das BMBF zwar, die Schaffung von Dauerstellen zu einem Vergabekriterium für die Zuweisung von Hochschulpaktmitteln zu machen. Doch ist bislang weder von einer vollständigen Verwendung der Paktmittel für Dauerstellen die Rede noch haben die Länder bislang die Forderung aufgegriffen. Aktuell sind neun von zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ohne Professur befristet beschäftigt – mit gravierenden Folgen nicht nur für die Lebensbedingungen der Beschäftigten, sondern auch für die Betreuung der Studierenden. Nicht zuletzt gerät unter den derzeitigen Vertragsbedingungen die Qualität von Lehre und Forschung in Gefahr.

 

Mit Transparenten, Trillerpfeifen und dem symbolischen Zerreißen von Kettenverträgen machten die Unterstützerinnen und Unterstützer der „Frist ist Frust“-Kampagne deutlich, was sie von der momentanen Hochschulpolitik des Bundes und der Länder halten: Nichts! Stefani Sonntag, Referentin für Hochschule und Forschung beim Hauptvorstand der GEW, erklärte, dass von 2007 bis 2023 Bund und Länder im laufenden Hochschulpakt insgesamt mehr als 38 Milliarden Euro ausgeben werden.

 

„Der Pakt zielte ursprünglich darauf ab, den von der Kultusministerkonferenz prognostizierten ‘Studierendenberg’ an den Hochschulen abzufedern. Doch aus dem Berg ist entgegen der Prognose längst ein Hochplateau geworden“, sagte Sonntag. Nahmen 2005 jährlich etwa 360.000 Menschen ein Studium auf, pendelten sich die Zahlen inzwischen stabil bei rund 500.000 ein, die jährlich den Weg an die Hochschulen suchen. Ein Anstieg von 40 Prozent innerhalb weniger Jahre, so Sonntag. Die Hauptlast des Mehrbedarfs an Lehre tragen jedoch nicht auf Lebenszeit verbeamtete Professorinnen und Professoren, sondern hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren dauerhafter Verbleib in der Wissenschaft bisher nicht vorgesehen ist.

„Wir fordern faire Dauerstellen für das gesamte wissenschaftliche und wissenschaftsunterstützende Personal!“ (Heike Kanter)

Heike Kanter vom NGAWiss brachte es in Anbetracht der frappierenden Ungleichbehandlung wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen auf den Punkt: „Wir fordern faire Dauerstellen für das gesamte wissenschaftliche und wissenschaftsunterstützende Personal!“ „Mit einer Lehrverpflichtung von 18 Semesterwochenstunden wird Bildung zur Massenware“, ergänzte Aileen Behrendt von der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam. Gegen ein entsprechendes Dauerstellenkonzept des Präsidenten der Uni Potsdam regt sich seit Wochen erbitterter Widerstand. Dass prekäre Arbeitsverhältnisse mittlerweile den gesamten Hochschulbetrieb erfasst haben und in hohem Maße auch das wissenschaftsunterstützende Personal betreffen, zu dem beispielsweise Hausmeisterinnen und Hausmeister sowie Sekretärinnen und Sekretäre gehören, verdeutlichte Claudius Neumann vom Gesamtpersonalrat der Freien Universität Berlin. Auch in dise Tätigkeiten, ohne die der Hochschulbetrieb überhaupt nicht aufrechterhalten werden könnte, stellen prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse ein ernstzunehmendes Problem dar.

 

„Wir haben nichts zu verlieren außer unseren Kettenverträgen“, skandierte das Bündnis vor dem BMBF. Es bleibt zu hoffen, dass den Staatssekretärinnen und Staatssekretäre die Tragweite ihrer Entscheidungen, wofür die Mittel des Hochschulpaktes eingesetzt werden, bewusst ist. Denn eins ist klar: Frist ist Frust.