Bildungs(unter)finanzierung
„Wir brauchen eine Vermögensteuer“
Im Netzwerk Steuergerechtigkeit engagieren sich unterschiedliche Organisationen für eine Steuer- und Finanzpolitik, die Hochvermögende stärker in die Pflicht nimmt, mehr zum Gemeinwohl beizutragen. Auch die GEW ist Mitglied.
Warum die Organisation eine Vermögensteuer fordert, erläutert der Koordinator des Netzwerks, Christoph Trautvetter, im E&W-Interview.
- E&W: Herr Trautvetter, wie in vielen Ländern der Welt konzentriert sich in Deutschland ein Großteil des Vermögens in den Händen weniger Menschen, die zudem nur wenig Steuern zahlen. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit setzt sich dafür ein, dass sich das ändert. Welche Ideen gibt es aktuell?
Christoph Trautvetter: Im Juni hat die brasilianische G20-Präsidentschaft ein Konzept vorgestellt, das eine Steuer von 2 Prozent für Hochvermögende vorsieht, die auf nationaler Ebene erhoben wird und international abgestimmt ist. Das ist für mich aktuell der beste Vorschlag.
- E&W: Welche Vorteile hat dieser Vorschlag?
Trautvetter: Die Essenz ist, dass nicht der Arzt oder die Millionärin mit dem Einfamilienhaus besteuert wird. Denn sie zahlen schon 50 Prozent Steuern und Sozialabgaben. Es geht darum, die Superreichen zu besteuern, also Menschen, die so viel Vermögen haben, dass sie nur aus ihren Vermögenserträgen im Luxus leben können. Sie haben kein Arbeitseinkommen und zahlen deswegen auch nicht den Reichensteuersatz von 45 Prozent, sondern meistens weniger als 30 Prozent.
- E&W: Wie viele Menschen mit einem Milliarden-vermögen gibt es in Deutschland?
Trautvetter: Es gibt mehr als 200 Familien mit Milliardenvermögen. Diese verteilen sich grob geschätzt auf 4.000 Haushalte und besitzen zusammen bis zu zwei Billionen Euro. Genau lässt sich das nicht sagen, weil es keine offiziellen Daten gibt.
- E&W: Wie hoch könnten die Einnahmen aus einer Steuer von 2 Prozent auf diese Vermögen in Deutschland sein?
Trautvetter: Man könnte jährlich ungefähr 20 bis 25 Milliarden Euro einnehmen. Die BMW-Erbin Susanne Klatten etwa würde bei einer zweiprozentigen Vermögensteuer rund 500 Millionen Euro zahlen.
- E&W: Verließen die Superreichen Deutschland, wenn diese Steuer eingeführt würde?
Trautvetter: Nur in Einzelfällen. Die Angst vor Steuerflucht ist in Deutschland völlig unbegründet. Das haben wir in einer Studie herausgefunden. Seit 1972 gibt es gut funktionierende Abwehrmaßnahmen gegen Steuerflucht. Wenn Susanne Klatten wegziehen würde, müsste sie nach unserer Schätzung 6,5 Milliarden Euro Wegzugssteuer zahlen, rund 30 Prozent ihres Vermögens.
- E&W: In welchem Land zahlen Superreiche momentan höhere Steuern?
Trautvetter: Interessanterweise in der Schweiz, die oft als beliebtes Fluchtziel herhalten muss. Milliardäre zahlen dort einen höheren Steuersatz als in Deutschland und Menschen aus der Mittelschicht dafür einen viel niedrigeren. Daran sieht man: Eine Vermögensteuer ist machbar. Das Bürgerbegehren „Tax the rich“ sammelt gerade EU-weit Unterschriften, um die Einführung einer Vermögensteuer in der Europäischen Union (EU) anzustoßen.