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Jugendhilfe und Sozialarbeit

„Wir alle sind Teil des Systems“

Für junge Menschen gehören Diskriminierungserfahrungen zum Alltag – auch in der Schule. Schulsozialarbeit steht vor der Aufgabe, diskriminierungskritische Perspektiven zu entwickeln.

Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter sind aufgrund ihrer Rolle und ihrer Expertise besonders mit dem Thema Diskriminierung konfrontiert. (Foto: Dominik Buschardt)

Erfolglose Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz, eine schlechte mündliche Note oder ein Kommentar im Lehrerzimmer über „bildungsferne“ Familien: Junge Menschen erleben Diskriminierung in allen Lebensbereichen. Doch insbesondere das System Schule ist laut Claudia Seibold, Referentin bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA), dafür prädestiniert, Benachteiligungen zu produzieren.

„Aufgabe der Schule ist neben Bildung auch die Einordnung junger Menschen. Die geschieht unter anderem durch Bewertung in Form von Noten.“ Darin sieht sie eine Ursache für das Gefühl junger Menschen, benachteiligt oder ungerecht behandelt zu werden. „Dabei ist nicht jede Ungleichbehandlung mit Diskriminierung gleich zu setzen. Aber die jungen Menschen empfinden das häufig so.“

„Wenn junge Menschen Konflikte und Vorfälle an sie herantragen, müssen sie einzuordnen lernen, ob sie es tatsächlich mit Diskriminierung zu tun haben und wie sie sich professionell verhalten können.“ (Julia Schad-Heim)

In den vergangenen Jahren ist die Sensibilität in der Gesellschaft insgesamt, aber auch in den unterschiedlichen Fachrichtungen der Sozialen Arbeit gestiegen. Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter sind aufgrund ihrer Rolle und ihrer Expertise besonders mit dem Thema konfrontiert. „Wenn junge Menschen Konflikte und Vorfälle an sie herantragen, müssen sie einzuordnen lernen, ob sie es tatsächlich mit Diskriminierung zu tun haben und wie sie sich professionell verhalten können“, sagt Julia Schad-Heim, Referentin beim Fachverband IN VIA Deutschland und im Netzwerk der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS).

Zur praktischen Unterstützung hat die GEW gemeinsam mit Expertinnen und Experten der Antidiskriminierungs- und Schulsozialarbeit, darunter IN VIA/BAG KJS und EJSA sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Broschüre „Diskriminierung als Alltagsphänomen. Handlungsmöglichkeiten für die Schulsozialarbeit“ veröffentlicht. Die Handreichung erläutert professionelles Vorgehen mit vielen Beispielsituationen.

Gesamtgesellschaftliche Ungleichverhältnisse im Blick behalten

„Wichtig ist, durch Zuhören und Hinsehen ein Bewusstsein für das Geschehene zu entwickeln“, erläutert Seibold. Häufig werde eine diskriminierende Erfahrung negiert oder als nicht beabsichtigt hingestellt. Grundlegend sei jedoch, dass „Diskriminierung sich immer an der Wirkung und nicht an der Einstellung oder Absicht der handelnden Person bemisst“. Für Beschäftigte der Schulsozialarbeit gelte es, eine diskriminierungskritische Perspektive zu entwickeln, ergänzt Schad-Heim. Dazu gehöre, „bei der Arbeit in Einzelsituationen immer auch die gesamtgesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnisse im Blick zu haben“. Denn: „Wir alle sind Teil des Systems.“

Auch deshalb stellt Seibold klar: „Schulsozialarbeit allein kann das Problem nicht lösen, ist jedoch ein wichtiger Ansatzpunkt.“ Sie kann eine wichtige Rolle im Prozess einer diskriminierungskritischen Weiterentwicklung der Schule spielen, beispielsweise um eine „Kultur der Besprechbarkeit“ zu schaffen. Für weitere Beratungen zu innerschulischem Vorgehen aber auch zur Bearbeitung konkreter Fälle, empfehlen die Expertinnen Schad-Heim und Seibold auch außerschulische Kooperationspartner wie die Antidiskriminierungsberatungsstellen, die in den vergangenen Jahren vielerorts entstanden sind, ins Boot zu holen.

Diskriminierung als Alltagsphänomen. Handlungsmöglichkeiten für die Schulsozialarbeit. Herausgegeben von der GEW, Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e. V. (BAG EJSA), IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit – Deutschland e. V. und Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V.