Zum 1. Februar 2011 erhielt mein Mann eine Stelle als Lecturer an einem von der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) geleiteten College in Riyadh, KSA (Kingdom of Saudi Arabia). Er sollte junge saudische Männer zu Berufsschullehrern ausbilden. Als ich seinerzeit in meinem Kollegium in Schleswig-Holstein verkündete, ich würde meinen Mann nach Saudi-Arabien begleiten, traf ich nur auf Unverständnis. „Wie kannst du nur? Frauen werden dort unterdrückt. Du musst da eine Abaya und ein Kopftuch tragen. Frauen dürfen nicht Auto fahren. Es gibt öffentliche Hinrichtungen. Das ist keine Demokratie. Wie kann man freiwillig in so ein Land gehen?“ Mein Mann und ich wussten damals beide wenig über Saudi-Arabien, aber wollten noch einmal etwas ganz anderes machen. Der Vertrag ging zunächst über drei Jahre. Wir haben zweimal verlängert. Nach fünfeinhalb Jahren mussten wir aber leider das Land verlassen, weil der saudische Auftraggeber den Vertrag mit der GIZ gekündigt hat.
Die Deutsche Schule Riad
Als ausgebildete Realschullehrerin für Mathematik und Physik bemühte ich mich in Riyadh um eine Stelle an der dortigen Deutschen Schule. Das Gehalt als OLK war sehr gering, aber ich wollte meine Pensionsansprüche während der Zeit in KSA nicht verlieren. Die Schule war erfreut, gibt es doch nicht viele ausgebildete Lehrer, die zufällig in Riyadh leben. Die Deutsche Schule bestand damals aus ca. 20 Lehrkräften, darunter 3 ADLKs. Die Hälfte der Lehrkräfte hatte keine Lehrerausbildung, sondern war eigentlich Bauingenieur, Büchereiangestellte, Mutter. Von den knapp 110 Schülern gingen 50 in Kindergarten und Vorschule, die restlichen verteilten sich zur Hälfte auf die Grundschule und zur anderen Hälfte auf die Sekundarstufe, also 5. bis 10. Klasse. In den Abschlussklassen gab es normalerweise einen oder zwei Schüler. Seit es 2003 in Riyadh Anschläge auf Expats gegeben hatte, war die Deutsche Schule aus Sicherheitsgründen auf dem Schulgelände der Französischen Schule mit ca. 1000 Schülern in einem Teilgebäude und Containern untergebracht. Ich unterrichtete dort Mathematik, Physik und Kunst. Als Physiklehrerin interessierten mich natürlich die Versuchsgeräte. Es waren wenige vorhanden. Erst nach einigen Monaten fand ich den Rest in einem Container am anderen Ende der Französischen Schule. Dort hatten sie seit 2003 bei im Sommer bis zu 70°C gestanden und waren größtenteils nicht mehr zu gebrauchen.
Wenig Geld und fehlende Pensionsansprüche
Leider stellte sich nach einigen Monaten heraus, dass meine Hoffnungen auf die Pensionsansprüche nicht zutrafen. Außer Berlin und Schleswig-Holstein zahlten alle Bundesländer weiter, nur diese beiden eben nicht. Für das bisschen Gehalt lohnte sich der Aufwand nicht: Morgens mit dem Schulbus zur Schule, Freistunden im überfüllten Lehrerzimmer, in dem konzentriertes Arbeiten nicht möglich war, dann warten auf den Schulbus und zusammen mit lärmenden Kindern aus der französischen Schule wieder nach Hause. Und wenn die Ferien der Französischen Schule nicht mit den Ferien der Deutschen Schule übereinstimmten, musste ich auch noch das Taxi bezahlen. Taxis sind in Riyadh für westliche Frauen nicht billig. Weiß doch jeder, dass die Frauen auf die Taxis angewiesen sind! Und es kann schon mal passieren, dass man eine viertel bis halbe Stunde draußen in der Sonne steht und auf das Taxi wartet. Nach einem Jahr hörte ich deswegen auf zu arbeiten und kümmerte mich von da ab um meine Hobbys und unsere Reisen in diesem schönen Land.
Leben in Riyadh und Saudi-Arabien
Riyadh ist eine moderne Stadt mit mehr als 5 Millionen Einwohnern. Die meisten westlichen Expats wohnen in Saudi-Arabien in Compounds. Das sind von Mauern umgebene Wohnsiedlungen mit teilweise sehr großen Villen. Bewacht werden die Compounds seit den Anschlägen von 2003 von Soldaten. Die Einfahrten sind gesichert wie bei einem Hochsicherheitstrakt mit verschiebbaren Betonwänden, häufig werden die Autos mit Spiegeln von unten betrachtet, Motorraum und Kofferraum müssen immer geöffnet werden. Wenn man so etwas zum ersten Mal erlebt, ist es etwas bizarr, aber man gewöhnt sich daran. In den Compounds kann man sich dafür frei bewegen und sogar im Bikini am Swimmingpool liegen. Meistens gibt es einen kleinen Supermarkt, in größeren Compounds auch Restaurants, Friseursalons und andere spezielle Läden. Wenn man als Frau allerdings den Compound verlässt, muss man eine schwarze Abaya tragen. Sie besteht aus sehr dünnem, undurchsichtigem Stoff. In der richtig warmen Jahreszeit fand ich das Tragen der Abaya angenehm, denn im Gegensatz zu den Männern, die auch bei 40 oder 50°C eine lange Hose tragen mussten, hatte ich unter meiner Abaya eher nicht so viel an.
Hervorragende Versorgung
Die Haare bedecken musste ich nur in der Innenstadt und wenn die Religionspolizei unterwegs war. Ich tat es aber freiwillig, wenn ich mich in nur saudischer Umgebung aufhielt. Es war kein Problem für mich, alleine irgendwo in der Stadt einkaufen oder spazieren zu gehen. Von unserem Compound fuhr zweimal am Tag der kostenlose Shoppingbus zu einer großen Mall und man hatte dann dort ca. 2 Stunden Aufenthalt. In Riyadh gibt es riesige Shoppingmalls. Die großen Supermärkte, wie z. B. die französische Kette Carrefour, liegen meistens mit in den Malls. Wenn ich also alle zwei Wochen meinen Großeinkauf an Lebensmitteln getätigt hatte, fuhr mich der Shoppingbus zum Ausladen bis vor unsere Villa. Auch die ärztliche Versorgung war in Riyadh ausgezeichnet. Es gibt große private Krankenhäuser mit internationalen Standards und angestellten Ärzten aus Europa und USA.