Sportunterricht - was muss sich ändern?
Wenn der Coach in die Schule kommt
Sportvereine sind im Ganztag die häufigsten Partner der Schulen. Doch die Frage, wie eine Zusammenarbeit mit guter Qualität gelingen kann, ist nicht überall beantwortet. Berlin sammelt seit 20 Jahren Erfahrungen.
Mit dem Ausbau der Ganztagsschulen sind viele gefragt, die Sportvereine jedoch ganz besonders. Schon für die Jahre 2012 bis 2015 identifizierte die Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (SteG) die Vereine „über alle Schulgruppen hinweg als die häufigsten Partner“. Die Kooperation ist jedoch kein Selbstläufer. Vor allem in früheren Jahren witterten die Sportvereine in der Ganztagsschule Konkurrenz: Wer nachmittags in der Schule ist, kann schlecht in den Fußballclub kommen. Zugleich tun sich vor allem ehrenamtliche Übungsleiterinnen und -leiter oft schwer mit den Uhrzeiten der Schul-AGs. Um die Arbeit zu erleichtern, haben viele Bundesländer in den zurückliegenden Jahren Ratgeber, Handreichungen oder Leitfäden entwickelt, die Titel wie „Sport macht Schule“ oder „Sportverein & Ganztagsschule“ tragen.
In Berlin gehört die Ganztagsschule schon lange zur Normalität. So machten sich etwa Basketball-Coaches schon 2005 auf den Weg in die Schulen. „Fußball ist nahezu omnipräsent. Wir wollten Kinder und -Jugendliche an eine Sportart heranführen, mit der sie nicht automatisch in Kontakt kommen“, sagt Philipp Hickethier, Leiter Bildung & Soziales bei Alba -Berlin. Heute bietet der Basketballverein in 76 Grund- und 18 Oberschulen mehr als 200 Arbeitsgemeinschaften an; rund 170 Teams treffen in einer Grundschul- und einer Oberschulliga aufeinander. Seit rund zehn Jahren sind in dem Modellprojekt „Profivereine machen Schule“ in Kooperation mit der Senatsbildungsverwaltung alle sechs großen Hauptstadt-Clubs – also neben Alba auch Hertha BSC, 1. FC Union, Füchse, Eisbären und Berlin Recycling Volleys – eingebunden.
„Regelmäßige Kommunikation ist zentral, nur wenn wir wissen, was im Sportunterricht läuft, und die Lehrkräfte unsere AGs kennen, können wir uns abstimmen.“ (Philipp Hickethier)
Dem Gedanken, die Vereine wollten in erster Linie Mitglieder rekrutieren, tritt Hickethier entschieden entgegen: „Zu Beginn mag das eine Rolle gespielt haben. Doch längst geht es uns vor allem darum, Kinder und Jugendliche in Bewegung zu bringen.“ Der Alba-Vertreter verweist auf die gravierenden motorischen Defizite, die während der Corona-Pandemie sogar noch zugenommen haben. Der Basketballverein war auch am Start, als die Sporthallen geschlossen waren: An Werktagen lud der Verein eine „Digitale Sportstunde“ auf YouTube hoch, an der Kita-Kinder sowie Schülerinnen und Schüler von zu Hause aus teilnehmen konnten.
An den meisten Schulen werden die Alba-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter an der Jahresplanung beteiligt und sind bei den Fachschaftskonferenzen Sport dabei. „Regelmäßige Kommunikation ist zentral“, sagt Hickethier, „nur wenn wir wissen, was im Sportunterricht läuft, und die Lehrkräfte unsere AGs kennen, können wir uns abstimmen.“ Noch besser gelingt das in jenen 33 Schulen, in denen die Alba-Coaches – die beim Verein fest angestellt sind und aus den Etats der Schulen kofinanziert werden – zusammen mit Lehrkräften den Sportunterricht begleiten.
Für die Ausbildung gibt es eine vereinseigene Akademie; das Curriculum wurde von einem Sportdidaktiker der FU Berlin mitentwickelt. „Es kommt mitunter vor, dass schulische Akteure unsere pädagogische Kompetenz in Frage stellen“, sagt Hickethier, „uns hingegen ist unsere große Verantwortung in diesem Bereich absolut bewusst, und wir nehmen diese sehr ernst.“
Lizenzausbildung „Sport im Ganztag“
Seit 2010 bietet die Sportschule des Landessportbundes (LSB) Berlin eine Lizenzausbildung „Sport im Ganztag“ an. „Das ist eine Lizenz, die sowohl auf die spezielle schulische Welt zugeschnitten ist als auch den Richtlinien des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) entspricht“, erklärt Christoph Stegemann, Pädagogischer Mitarbeiter der Sportschule. Entwickelt wurde sie in Kooperation mit der Senatsbildungsverwaltung und der Sportjugend Berlin, genehmigt vom DOSB.
In 30 Lehreinheiten à 45 Minuten werden die Teilnehmenden auf Schulrecht und Vereinsangebot, soziales Lernen im Ganztag und Umgang mit heterogenen Gruppen vorbereitet; für weitere 30 Lehreinheiten wählen sie Angebote, die von Sportklettern und Hip-Hop bis zum Kinderschutz im Sport reichen. Der Übungsleiter „Sport im Ganztag“ ist eine B-Lizenz, steht also über dem Übungsleiter C Breitensport. Verpflichtend ist eine Teilnahme an dem Angebot nicht. Dem LSB jedoch liegt daran, dass das Angebot angenommen wird. Für Übungsleiterinnen und -leiter mit dieser Lizenz könnten Vereine einen Zuschuss beantragen, erläutert Stegemann.
„Was nicht passieren darf, ist, dass der Sportunterricht eines Tages outgesourct wird.“ (Ole Stratmann)
„Wenn das eine pädagogisch runde Sache ist und nicht wie meist im Verein vor allem die Leistung im Fokus steht, können Sportvereine den Schülerinnen und Schülern durchaus etwas bieten“, attestiert Ole Stratmann, Vorsitzender der GEW-Sportkommission. Jedoch macht er auch auf ein „Schreckgespenst“ aufmerksam. „Was nicht passieren darf, ist, dass der Sportunterricht eines Tages outgesourct wird“, sagt der Sportlehrer aus Bremen, wo die Universität das Lehramt Sport 2007 schon einmal für einige Jahre eingestellt hatte.
Außerdem fordert Stratmann: Auch im Ganztag dürfe Schule weder die Verantwortung noch den Bildungsauftrag abgeben. „Wir brauchen ein rhythmisiertes Modell, in dem Sportangebote stets in gemeinsamer Verantwortung stattfinden.“
Alba Berlin ist unterdessen bereits einen großen Schritt weiter: Seit 2020 ist der Verein Träger der ergänzenden Förderung und Betreuung – so wird diese im Berliner Schulgesetz beschrieben – an der Albert-Gutzmann-Schule im Stadtteil Wedding. Das bedeutet, dass Alba nicht nur – außerunterrichtliche – Sportangebote macht, sondern auch die externen Kooperationen zum Beispiel zu Musik, Kunst und Theater organisiert. Auch alle Erzieherinnen und Erzieher, die die Schülerinnen und Schüler von der 1. bis zur 6. Klasse begleiten, sind beim Verein angestellt. Hickethier: „Wenn wir die schulischen Fachkräfte für unsere Ideen gewinnen und mit den Eltern über die Bedeutung von Bewegung ins Gespräch kommen wollen, müssen wir uns selbst in die Schulentwicklung einbringen.“