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Weltsozialforum: Zukunft der Arbeit, Zukunft der Bildung

Über die Zukunft von Arbeit und über Bildung in einer globalisierten Welt wurde Mitte März beim Weltsozialforum im brasilianischen Salvador de Bahia diskutiert.

Neues Prekariat
Die Aktualität des Weltsozialforumsmottos „Widerstand leisten bedeutet gestalten und transformieren“ wurde in zwei sehr gut besuchten Veranstaltungen des brasilianischen Gewerkschaftsbundes CUT mit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES),  der Bildungsinternationalen und der brasilianischen Bildungsgewerkschaft CNTE deutlich. Katharina Hoffman von der Friedrich-Ebert-Stiftung  forderte einleitend zum  Workshop „Zukunft von Arbeit“, internationale Organisationen zu stärken, um gemeinsam solidarisch die Arbeitsrechte zu schützen. João Felicio, Präsident des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), hob hervor, dass eine Antwort gefunden werden müsse auf den Abbau von Arbeitsplätzen in Folge der Digitalisierung. In der vierten industriellen Revolution werden erkämpfte Arbeiterrechte abgebaut. Es entstehe ein neues Prekariat, zunehmend mehr Menschen seien ohne feste, gesicherte Arbeitsplätze. Gewerkschaften weltweit sind hier gefordert.

Bildungseinrichtungen werden dem privaten Wettbewerb ausgesetzt
Wie sehr die Privatisierung im Bildungsbereich die Zukunft von Arbeit betrifft wurde in einer Veranstaltung der Bildungsinternationale zum Thema „Bildung in der globalisierten Welt in Zeiten von Rückschritt und Privatisierung“ deutlich. Da die Privatisierung des Bildungsbereichs weltweit eine stabile, zukunftssichere Einnahmequelle verspricht, werden Bildungseinrichtungen immer mehr zu einem Wettbewerbsplatz von Bildungskonzernen. Der in den meisten  Ländern gesetzlich festgelegte Auftrag des Staates, einen kostenfreien Zugang zu Bildung zu gewährleisten, wird zunehmend aggressiver, besonders in Ländern Lateinamerikas und Afrikas, unterminiert und in Frage gestellt. Anschaulich berichtete Wilson Sossion, Generalsekretär der kenianischen Lehrergewerkschaft KNUT, vom Kampf seiner Gewerkschaft gegen die Privatisierung von Bildung in dem ostafrikanischen Land. 1988 unterzeichneten die Weltbank und der IWF mit der kenianischen Regierung einen Vertrag, der einen profitorientierten Zugang zu Bildung beinhaltete. In der Folge nahm  die Einschulungsrate ab und die Schulabbrecherquote rapide zu. Viele Lehrerinnen und Lehrer verließen ihre schlecht bezahlten Arbeitsplätze. Nach massiven gewerkschaftlichen Protesten wurde 2002 die kostenfreie Primarschule eingeführt und ein Gesetz erlassen, nachdem nur ausgebildete Lehrkräfte unterrichten dürfen. Mehr als zwei Millionen Schülerinnen und Schüler sowie viele Lehrkräfte kehrten an die Schulen zurück.

Unqualifizierte Lehrkräfte an Privatschulen
Eine neue Herausforderung begann 2009 mit den ersten Privatschulen der Bridge International Academies, die von prominenten Geldgebern wie der Pearson Verlagsgruppe, Facebook, der Commonwealth Gruppe, dem britischen Entwicklungsministerium vorangetrieben wurden. Schulgeld, das bis zur Hälfte des Tageslohnes einer Familie ausmachte, wurde mit der Aussicht auf bessere Einkommenschancen gerechtfertigt. Der Unterricht wurde von nicht qualifiziertem, billigem Aufsichtspersonal geleitet.  Mit Unterstützung von Eltern und  Gruppen der Zivilgesellschaft forderte die kenianische Lehrergewerkschaft die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für eine kostenfreie Schule mit qualifizierten Lehrkräften. Bridge International Academies bedrohten daraufhin massiv Wilson Sossion und seine Gewerkschaft KNUT, stellten Strafanträge und versuchten  Einfluss auf die Regierung zu nehmen.

Erfolgreiche Gewerkschaftskampagne
KNUT antwortete mit einer gut organisierten Aufklärungskampagne, in der die Gewerkschaft das Nichteinhalten von Bildungsstandards, Gesetzesverletzungen und auf Profit orientierte Machenschaften der Bridge International Academies anprangerte. Mit internationaler Unterstützung durch die Bildungsinternationale und deren Mitgliedsgewerkschaften wurde die Kampagne zu einem Erfolg. Eltern meldeten ihre Kinder bei den Bridge Schools ab und bei staatlichen Schulen wieder an. Das Schulministerium pochte auf Einhaltung des Gesetzes. Doch der Kampf geht weiter. Bridge International Academies hat Klage gegen die Gewerkschaft und die Regierung wegen Behinderung ihrer Tätigkeit erhoben. Ein Urteil wird in den nächsten Wochen erwartet. „Wir sind im Recht und werden uns durch Drohungen nicht einschüchtern lassen“, gab Wilson Sossion sich in Salvador entschlossen. Das Beispiel Kenia zeigt, wie wichtig eine Zusammenarbeit von Gewerkschaften, Eltern und Zivilgesellschaft ist, um solchen Entwicklungen gegenzusteuern und erfolgreich zu sein.