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Weltkinderarbeitskonferenz in Brasilia

Die Zahl arbeitender Kinder ist seit dem Jahr 2000 weltweit um ein Drittel gesunken. Nicht genug, war die Meinung der 1.300 Teilnehmer der dritten Weltkinderarbeitskonferenz, die vom 8. - 10. Okotber 2013 in Brasilia stattfand.

Fotos: Manfred Brinkmann, Trudy Kerperien

Delegationen aus 153 Staaten, Regierungsvertreter, Arbeitgeber, Gewerkschafter und Nichtregierungsorganisationen, nahmen vom 8. – 10. Oktober 2013 auf Einladung der brasilianischen Regierung und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)an der dritten Weltkinderarbeitskonferenz in Brasilia teil. Die vorangegangenen Konferenzen fanden 1997 und 2010 in den Niederlanden statt. Unter den mehr als hundert anwesenden Gewerkschaftern waren auch zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer. Die deutsche Delegation bestand aus fünf Personen: Klaus Günther (Bundesministerium für Arbeit und Soziales ), Annika Wörsdörfer (Deutsche Botschaft Brasilia), Antje Weber (Kindernothilfe), Michael Bergstreser (Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten - NGG) und Manfred Brinkmann (GEW).

Erfolge in Brasilien

Die brasilianische Staatspräsidentin Dilma Rousseff betonte in ihrer Begrüßungsrede, dass die Beendigung der Kinderarbeit eine Aufgabe aller Nationen sei: „Wir schulden den Kindern eine Kindheit ohne Gewalt, ohne Angst und ohne Ausbeutung.“ Nicht ohne Stolz berichtete Rousseff von den Fortschritten ihrer Regierung im Kampf gegen Kinderarbeit: „Brasilien ist ein Beispiel dafür, dass es mit politischem Willen und gezielten, fortgesetzten Maßnahmen möglich ist, erfolgreich zu sein. Zwischen 2000 und 2012 ist es uns gelungen, die Zahl der arbeitenden Kinder um 67 Prozent zu reduzieren.“ Wesentlich dazu beigetragen habe das Regierungsprogramm ‚Bolsa Familia‘, eine Art Sozialhilfe für die 14 Millionen ärmsten brasilianischen Familien. Deren Auszahlung sei daran geknüpft, dass die Kinder regelmäßig die Schule besuchen. „Das wird von uns streng überwacht“, so die brasilianische Präsidentin.

Die staatliche Gewerbeaufsicht sei zudem angewiesen, bei Betriebsinspektionen darauf zu achten, dass keine Kinder beschäftigt sind. Die brasilianische Lehrergewerkschaft CNTE, die wie die GEW Mitglied der Bildungsinternationale ist, unterstützt die Politik der Regierung. „Wir arbeiten eng zusammen. Ohne eine aktive Mitwirkung der Lehrerinnen und Lehrer sind unsere Erfolge in Brasilien nicht möglich“, berichtet Fatima da Silva vom Vorstand der CNTE. Brasilien gilt auf der dritten Weltkinderarbeitskonferenz als Vorbild im Kampf gegen Kinderarbeit. „Rousseff ließ keinen Zweifel daran, dass dies Ergebnis einer aktiven Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ihrer Regierung sei: „Die Beendigung der Kinderarbeit hängt davon ab, dass wir menschenwürdige Arbeitsplätze und Einkommen für die Erwachsenen der Familien schaffen, in denen die Kinder leben.“

Hundert Millionen arbeitende Kinder in der Landwirtschaft

ILO-Generaldirektor Guy Ryder wies in seiner Rede auf die Fortschritte bei der weltweiten Ächtung von Kinderarbeit hin: „Vor zwanzig Jahren haben viele Länder noch abgestritten, dass sie überhaupt ein Problem mit Kinderarbeit haben. Damals hat man uns gesagt, dass die ILO Konvention 138 zum Mindestalter für arbeitende Kinder nicht ratizifierbar sei. Heute haben 166 Länder diese Konvention ratifiziert. Die ILO Konvention 182 zu den schlimmsten Formen von Kinderarbeit haben sogar 177 Länder unterzeichnet. Nur neun Länder fehlen noch.“ Zahlreiche Staaten haben inzwischen Gesetze gegen die Ausbeutung von Kindern durch Arbeit erlassen. Zwar mangelt es oft an deren Umsetzung, doch inzwischen werden auch Erfolge erkennbar.

Nach den jüngsten Zahlen der ILO hat sich die Zahl arbeitender Kinder seit dem Jahr 2000 weltweit um rund ein Drittel verringert. Guy Rider ist dennoch nicht zufrieden und fordert verstärkte Anstrengungen zur Bekämpfung der Kinderarbeit: „Noch immer müssen 168 Millionen Kinder arbeiten, die Hälfte von ihnen unter schlimmsten Bedingungen. Das sind 168 Millionen Gründe, warum wir hier in Brasilien sind.“ Die Mehrzahl dieser Kinder, 98 Millionen, arbeitet nach ILO-Angaben in der Landwirtschaft. Prozentual besonders betroffen sind die Staaten südlich der Sahara, wo etwa jedes fünfte Kind arbeitet. Doch Kinderarbeit ist nicht nur ein Problem der armen Länder. Die höchsten Zahlen arbeitender Kinder weisen sogar Länder mit mittlerem Einkommen auf.

Brasilia-Erklärung zur Kinderarbeit

Während der dreitägigen Konferenz wurde von zahlreichen Rednerinnen und Rednern immer wieder die Wichtigkeit der Bildung bei der Überwindung der Kinderarbeit betont. In Seminaren diskutierten die Teilnehmer über Themen wie ‚Bildungsmodelle und Schulen‘, ‚Kinderarbeit in Produktionsketten‘ oder ‚Kinderarbeit und Migration‘. Zum Abschluss der Konferenz berichtete Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva den Konferenzteilnehmern, dass auch er und seine Geschwister als Kinder gearbeitet hätten, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. „Ich habe Erdnüsse verkauft, bevor ich als 15-Jähriger in die Metallindustrie gegangen bin.“ Die Beseitigung der Kinderarbeit sei möglich, erklärte Lula unter dem Beifall der Delegierten, wenn der politische Wille dafür vorhanden ist.

Die von der Konferenz beschlossene ‚Brasilia-Erklärung zur Kinderarbeit‘ betont die Bedeutung der Bildung und die Hauptverantwortung des Staates bei der Bekämpfung von Kinderarbeit. Auf Initiative der Gewerkschaften wurde ein Passus in die Erklärung aufgenommen, der die besondere Rolle von Bildungs-, Gesundheits- und Sozialarbeitern betont. Sie sollen gut ausgebildet werden und würdige Arbeitsbedingungen vorfinden, die im Dialog mit den Gewerkschaften zu entwickeln sind. Die Delegierten beschlossen außerdem im Jahr 2017 eine weitere Weltkinderarbeitskonferenz durchzuführen. Gastland wird dann Argentinien sein.