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Weltfrauenkonferenz der Bildungsinternationale

Erstmalig hat die Bildungsinternationale eine Weltfrauenkonferenz veranstaltet. Unter dem Motto „On the Move for Equality“ diskutierten über 350 TeilnehmerInnen aus fast 90 Ländern fünf Tage lang in Bangkok. Anne Jenter war für die GEW dabei.

Vom 19. bis 23.1.2011 fand in der thailändischen Hauptstadt Bangkok die erste Weltfrauenkonferenz der Bildungsinternationale (BI) statt. Ein bunter Marktplatz der Nationen bot den Gewerkschafterinnen aus aller Welt viele Möglichkeiten des Austausches. Der erste Tag begann mit einer Vorkonferenz und diente der Vernetzung zwischen Gewerkschafterinnen, die in den Regionalstrukturen der BI in den einzelnen Kontinenten engagiert sind. Diese Vorkonferenz eröffnete Jan Eastman, stellvertretende Generalsekretärin der BI, zusammen mit Aloysius Mathews, dem BI-Regional-Koordinator für die Asian-Pacific-Region sowie Salima Doumbia, Vorsitzende der BI-Region für Afrika. Sie rief dazu auf, in der politischen Arbeit der Frauen die drei „R“ in den Mittelpunkt zu stellen, nämlich „rights, risks and responsabilities for women“. So weltumspannend war jedes Podium besetzt und jede Diskussion im Plenum wie in den über vierzig unterschiedlichen Arbeitsgruppen. Als Mitglied des „Paneuropean Equality Committee“ der BI war ich selbst an dieser Netzwerkbildung beteiligt. Zur Zeit arbeiten weltweit zehn regionale und subregionale BI-Netzwerke. Die jüngste Neugründung eines subregionalen BI-Netzwerks fand im Mittleren Osten und Nordafrika statt. Im Jahr 2007 hatte die BI beschlossen, Gewerkschaften in dieser Subregion zu unterstützen und ihnen beim Aufbau demokratischer Strukturen zu helfen. Aus kulturellen und religiösen Gründen sind die Repräsentation von Frauen und die Geschlechtergleichstellung in dieser Subregion besonders problematisch. Gleichstellung der Geschlechter zur Realität in unseren Gewerkschaften zu machen, sie in den Schulen und in der Gesellschaft erfolgreich umzusetzen - das war die Basis für den Erfahrungs- und Gedankenaustausch in Bangkok. Intensiv wurde in den regionalen Netzwerken über Leitungsfunktionen für Frauen in Gewerkschaften, Förderung des Nachwuchses, Gewalt gegen Frauen, Frauenrechte, HIV, Entgeltgleichheit, Mutterschutz und andere Themen diskutiert. Anschließend wurde im Plenum der Aufbau eines globalen Netzwerkes diskutiert, das durch gute Praxis und Aktionspläne unterstützend tätig werden soll.

Offiziell wurde die erste Weltfrauenkonferenz der BI am Donnerstag durch den BI-Generalsekretär, Fred van Leeuwen, eröffnet. Er betonte, dass die Bildungsinternationale sich seit ihrer Gründung 1993 für die Rechte von Mädchen und Frauen einsetzt, damit diese in der Bildung, in den Gewerkschaften und in der Gesellschaft verwirklicht werden. Wörtlich sagte van Leeuwen: „Gleichheit und Gleichstellung betrifft nicht nur die Geschlechter. Wenn wir in der Geschlechtergleichstellung vorankommen, tun wir auch einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichheit in der Gesellschaft, bei dem wir keinen Platz lassen für Rassismus, Islamphobie, Homophobie und all diese sozialen Übel, von denen die meisten ihre Wurzel in der Ignoranz haben. Gute öffentliche Bildung und Erziehung sind unsere Hauptwaffen, um diese zu bekämpfen.“ Die folgenden beiden Konferenztage standen unter den Schwerpunkten „Bestandsaufnahme zur Situation der Frauen in der heutigen Welt“ und „Mädchen und Frauen fördern und durch Bildung und Erziehung stark machen“. Eine zentrale Rolle spielte der BI-Bericht zur Situation von Frauen in Gewerkschaften, im Bildungssystem und in der Gesellschaft, dessen Daten durch Auswertung der Fragebögen von 138 Bildungsgewerkschaften aus 95 Ländern zustande gekommen waren. Als wichtigste Ergebnisse hielt Jan Eastman fest, dass eine große Differenz besteht zwischen den vorhandenen Möglichkeiten aufgrund bestehender Frauenrechte und dem tatsächlichen gewerkschaftlichen Handeln zu deren Umsetzung. Gemessen am Frauenanteil in der Mitgliedschaft existiert in vielen Bildungsgewerkschaften eine Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen. Ähnlich ist es um die Geschlechtergleichstellung in den Schulcurricula bestellt: Geschlechterstereotypen bestimmen noch oft die Fächerwahl und das Unterrichtsmaterial. Bei Einstellung, Aufstieg und Entgelt werden Frauen weiterhin benachteiligt. Der BI-Bericht zeigt jedoch auch, dass sich etwas bewegt und dass Ausschüsse und Netzwerke für Geschlechtergleichstellung in den Gewerkschaften der Platz sind, wo Kampagnen und Aktivitäten zur Unterstützung der Rechte der Frauen initiiert werden.

„Bildung und Erziehung in guter Qualität stärkt Mädchen und Frauen“, betonte Saniye Gülser Corat, Direktorin für Geschlechtergleichstellung bei der UNESCO. Sie rief dazu auf, die Regierungen an ihr gebrochenes Versprechen zu erinnern, die Geschlechtergleichheit in der Primarbildung weltweit bis 2005 zu verwirklichen. Weitere Anstrengungen sind dringend notwendig, da immer noch 54 Prozent der Kinder, die keine Schule besuchen, Mädchen sind und zwei Drittel der Analphabeten weiblich. Die frühere Direktorin der UN-Abteilung für Frauenförderung, Carolyn Hannan, forderte, Geschlechterstereotypen nicht durch Bildung und Erziehung zu verfestigten. Sie berichtete über eine langjährig angelegte Untersuchung des schwedischen Bildungsministeriums zur Situation von Mädchen in der Schule und rief dazu auf, der Schulbildung in der Sekundarstufe mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Wer Mädchen und Frauen stärken will, müsse ihre Sekundarschulbildung fördern. Erst dadurch erhielten diese die Chance, der drohenden Informalität zu entkommen und eine menschenwürdige Arbeit zu finden. Ein wichtiges Thema der Plenumsdiskussion war auch die neoliberale Politik vieler Regierungen und deren Auswirkungen auf den Bildungssektor. So wurde berichtet, das Mädchen oft die Schule verlassen, um im informellen Bereich zu arbeiten, weil sie ihre Familien finanziell unterstützen müssen. Weitere Themen waren u.a. die Ausbeutung von Frauen und Mädchen als Sexarbeiterinnen und Hausangestellte, die Bedeutung von Sport-, Technik und naturwissenschaftlichem Unterricht für Mädchen und nicht zuletzt die Lehreraus- und Lehrerfortbildung, die dringend Wissen über und Trainings zu Geschlechtersensibilität aufnehmen muss, damit die Geschlechterstereotypen gebrochen werden und Lehrkräfte diese nicht auch noch selbst verfestigen. Bei aller Diskussionsfreude kam das gemeinsame Feiern nicht zu kurz. Am Samstagabend fand ein großes kulturelles Fest mit thailändischen Tänzen und Musik statt. Auch andere asiatische Gruppen beteiligten sich mit Darbietungen und forderten zum Mitmachen auf. Nach fünftägigen Beratungen schloss die BI-Präsidentin Susan Hopgood aus Australien am Sonntag die Weltkonferenz mit Verweis auf kommende Schritte, die wir noch gehen müssen, um Gleichstellung zu erreichen. Im Juli 2011 werden wir in Kapstadt, Südafrika, beim siebten Weltkongress der Bildungsinternationale weiter daran arbeiten. Doch um die Hindernisse bei der Geschlechtergleichstellung aus dem Weg zu räumen, müssen wir auch auf nationaler Ebene noch effektiver arbeiten.