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Was tun gegen Kinderarbeit?

Viele Güter, die wir tagtäglich konsumieren, werden von Minderjährigen hergestellt. Doch im Kampf gegen Kinderarbeit spielen Lehrer weltweit eine wichtige Rolle. Das zeigte eine internationale Gewerkschaftskonferenz in Berlin.

Fotos: Manfred Brinkmann

Über eine Million Kinder und Jugendliche schuften auf den Kakao-Plantagen in Ghana und der Elfenbeinküste. Viele dieser Kinder wurden von ihren notleidenden Eltern an Menschenhändler verkauft. Oder von Schleppern entführt, die sie nun als billige Arbeitskräfte auf die Plantagen schicken. Eine Schule haben diese Kinder nie besucht.

Doch Kakao ist nur ein Produkt, das im deutschen Handel angeboten wird und das immer wieder mit Kinderarbeit und Ausbeutung in Verbindung gebracht wird. Kinder und Teenager sind auch in der Herstellungskette vieler anderer Gebrauchsgüter und Lebensmittel involviert, kritisierte Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, anlässlich der internationalen Konferenz „Schule ist der beste Arbeitsplatz: Bildungsgewerkschaften gegen Kinderarbeit“ in Berlin. Zu dieser hatten GEW, die niederländische Bildungsgewerkschaft AOb und der Weltverband der Bildungsgewerkschaften Education International (EI) vom 4. bis 7. Oktober 2012 rund hundert Lehrer aus aller Welt – aus Deutschland, Europa und den USA sowie zahlreiche KollegInnen aus Asien, Afrika und Lateinamerika – eingeladen.

„Kinderarbeit ist das Mieseste vom Miesen“, sagte DGB-Vorsitzender Michael Sommer auf der Konferenz. „Und ein Verbrechen an Kindern. Damit verletzt man alles, was man nur verletzen kann: Das fängt bei der Würde der Kleinen an und hört nicht mit der Zerstörung ihrer Zukunft auf.“ Besonders schlimm sei es, „wenn wir nicht nur von Kindern in der Produktion reden, sondern von Kindern, die sich prostituieren müssen oder als Soldaten eingesetzt werden.“

Ganz in der Nähe
Ausbeuterische Kinderarbeit in der Herstellung von Produkten, die wir tagtäglich konsumieren und die, wie DGB-Chef Sommer sagt, „mitunter ohne Kinder gar nicht denkbar sind“, gibt es jedoch nicht nur in fernen Ländern der sogenannten Dritten Welt oder in Schwellenländern. Es gibt sie auch ganz in der Nähe. Beispielsweise in der Türkei, einem EU-Anwärterland. Von dort stammen 90 Prozent der weltweit konsumierten Haselnüsse. Deutschland ist eines der Hauptabnehmerländer. Bis zu 300.000 kurdische Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter pflücken die Nüsse für die großen Süßwarenkonzerne. Für einen harten Elf-Stunden-Tag an den steilen und heißen Hängen bekommen sie umgerechnet zwölf Euro Lohn. Auch Kinder schuften auf den Haselnussplantagen mit – jedes fünfte kurdische Kind versäumt nach Angaben der türkischen Lehrergewerkschaft Egitim Sen bis zu vier Monate Unterricht im Jahr. Die Folgen sind verheerend: Viele brechen die Schule ab oder können nach der Grundschule weder richtig lesen noch schreiben. Das zementiert letztendlich Armut.

Was können Lehrer gegen die weit verbreitete Kinderarbeit tun? Das wichtigste sei, Erwachsene – also Eltern, Politiker, aber vor allem auch Lehrer – in den von Kinderarbeit betroffenen Ländern für das Problem zu sensibilisieren und sie mitunter sogar erstmals über das Thema Kinderrechte aufzuklären. Das ist schwierig, zumal in vielen Gesellschaften Kinderarbeit als normal, als Teil der Kultur betrachtet wird. Ein zweiter Schritt seien faire Löhne für die Erwachsenen in den Produktionsländern. Denn, so R. Venkat Reddy von der M. Venkatarangaiya Foundation, einem Projektpartner der GEW-Stiftung „Fair Childhood“ in Indien: „Glaubt mir, jede Mutter, auch die ärmste, will, dass ihr Kind in die Schule geht und eines Tages dem Leid und der Ausbeutung entrinnen kann.“ Doch noch „brauchen viele Familien in den armen Ländern das Zubrot der Kinder, um über die Runden zu kommen“, so DGB-Chef Sommer.

„Wir können Kinderarbeit nicht isoliert bekämpfen“, sagte der GEW-Vorsitzende Thöne. Regelwerke gegen Kinderarbeit müssten endlich für Regierungen und Hersteller verbindlich sein. Auch die Verbraucher im reichen Norden stünden in der Pflicht, Kinderarbeit zu eliminieren. Indem sie etwa bewusster und fairer einkaufen: „Durch den globalen Handel holt uns Kinderarbeit auch in Deutschland ein – und zwar durch all die Produkte, die wir tagtäglich konsumieren“, so Thöne.

Maouloud Ben Kattra, Mali:
"Islamische Extremisten besetzen zwei Drittel meines Landes. Tausende Kinder sind auf der Flucht. Wo sie nicht auf der Flucht sind, schuften sie in Goldminen, auf Baumwollfeldern, arbeiten als Hirten oder im Tourismus. Sie arbeiten dort, weil viele unserer Lehrkräfte nicht über die ILO-Konventionen Bescheid wissen. Wir müssen daher zunächst die Pädagogen für das Thema sensibilisieren."

Abdoulaye Quedraogo, Burkina Faso:
"Das Problem in meinem Land ist, dass oft Kinder, die nicht aus dem Dorf kommen, die Schule nicht besuchen dürfen. Das ist schlimm. Denn in Afrika gibt es viele Migranten und Wanderarbeiter sowie Aids-Waisen, die zu ihren Verwandten ins Nachbardorf kommen, aber nicht integriert werden."

Lourdes Edith Delouis Joseph, Haiti:
"In Haiti schuften viele Kinder als Hauspersonal in fremden Familien. Viele Eltern vom Land haben ihre Kinder Dritten in der Stadt anvertraut in der Hoffnung, dass es ihnen dort besser geht, sie was zu essen haben und in der Stadt eine Schule besuchen können. Doch die meisten fehlen in der Schule."

José Antonio Zepeda Lopez, Nicaragua:
"In Nicaragua arbeiten Kinder auf Kaffeeplantagen, in Steinbrüchen, in Goldminen. Inzwischen hat die Regierung Kinderarbeit in manchen Sektoren verboten. Aber im informellen Sektor besteht sie noch immer. Die größte Barriere im Kampf gegen Kinderarbeit sind die Eltern."