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Ganztag

Was macht eine gute Ganztagsschule aus?

Die Schule an der Düsseldorfer Straße war 2004 eine der ersten Schulen Bremens, die in den gebundenen Ganztag wechselten. Seither gibt es dort einen rhythmisierten Tagesablauf. Schulleiterin Dorothea Ilsen berichtet aus der Praxis.

„Die Kooperation ist das A und O, damit ein multiprofessionelles Team überhaupt gut arbeiten kann.“ (Dorothea Ilsen, Leiterin der Schule an der Düsseldorfer Straße, Bremen)

E&W: Warum hat sich Ihre Schule damals für den gebundenen Ganztag entschieden?

Dorothea Ilsen:  Weil wir nur so den Kindern ein Angebot machen können, das ihre gesamte Entwicklung betrifft. Es geht um einen ganzheitlichen Blick auf die Kinder: Das ist gerade bei uns im Stadtteil wichtig, in dem viele Kinder aus armen Familien kommen. Die wollen wir unbedingt „von der Straße“ holen.

E&W: Wie wichtig ist es, dabei auf unterschiedliche Professionen zurückgreifen zu können?

Ilsen: Das ist enorm wichtig. Wir bilden bei uns für jede Klasse ein multiprofessionelles Team, das aus einer Lehrkraft, einer pädagogischen Fachkraft und einer Förderkraft besteht. Das ist die Basis. Dann kommen natürlich noch Assistenzen dazu und andere Menschen, die in der Schule arbeiten. So haben wir viele verschiedene Perspektiven, die für die Entwicklung der Kinder zuträglich sind.

  • E&W: In der Theorie klingt das immer super, in der Praxis fehlt dann doch meistens die Zeit für Absprachen und Kooperation. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Ilsen: Das ist ein wunder Punkt. Die Kooperation ist das A und O, damit ein multiprofessionelles Team überhaupt gut arbeiten kann. Wir haben darum die Teamarbeit für eine ganze Weile an die erste Stelle unserer Schulentwicklung gestellt, haben viele Fortbildungen gemacht und auch in unserer Freizeit Dinge zusammen unternommen. Den Montagnachmittag haben wir als Teamzeit festgelegt, da nehmen alle an Absprachen und Konferenzen teil. Die Schulbehörde hat den Erzieherinnen und Erziehern eine Kooperationsstunde pro Woche zur Verfügung gestellt, aber das reicht vorne und hinten nicht. Wir haben darum als Schule einfach beschlossen, ihnen zwei weitere dazuzugeben.

  • E&W: Wie läuft der Ganztag in der Praxis?

Ilsen: Um die Strukturen für einen guten Ganztag aufrecht halten zu können, bedarf es einer strikten Organisation. Aber es braucht eben auch viele Menschen, die das pädagogische Konzept in die Praxis umsetzen. Wir arbeiten viel mit Ehrenamtlichen zusammen und sind gut mit außerschulischen Einrichtungen im Quartier vernetzt, das hilft uns. Aber das Stammpersonal reicht einfach nicht, um ein so reiches Angebot, wie die Kinder es brauchen, umzusetzen.

E&W: Was sind die größten Herausforderungen bei der Organisation des Ganztags?

Ilsen: Personal zusammenzustellen, das gut miteinander klarkommt. Sicher, das sind alles Profis, die zusammenarbeiten können. Aber wenn man wirklich engagiert arbeiten und viele Visionen umsetzen möchte, geht das nur mit einem Team, das sich versteht und gegenseitig mitzieht. Darüber hinaus fordern mich die Schulentwicklung und das Zusammenhalten der Gemeinschaft besonders heraus.

E&W: Abgesehen von Zeit und qualifiziertem Personal – was braucht es noch für einen guten Ganztagsunterricht?

Ilsen: Raum, das ist ein ganz entscheidender Faktor. Die Kinder müssen Räume und Gruppen wechseln können. Darum braucht es unterschiedliche Räume in unterschiedlichen Größen mit unterschiedlichen Möglichkeiten – sowohl drinnen als auch draußen.

E&W: Welche Forderungen haben Sie an die Politik?

Ilsen: Notwendig ist eine Erzieherin oder ein Erzieher pro Klasse, nur so kann man den Kindern gerecht werden und letztlich auch die Inklusion weiter voranbringen. Momentan ist es so, dass sich die pädagogischen Fachkräfte je nach Schule auf zwei oder sogar drei Klassen aufteilen müssen. Das bedeutet, dass sie sich immer im Spagat bewegen, immer teilen müssen. Abgesehen davon ist es natürlich wichtig, eine Schule baulich so auszustatten, dass sie ihre Arbeit auch wirklich umsetzen kann – dazu gehören auf jeden Fall auch eine gute Mensa und ein Differenzierungsraum pro Klasse.

E&W: Mit Blick auf den kommenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung: Welche Tipps haben Sie für andere Schulen, die ein Ganztagskonzept erst noch erarbeiten müssen?

Ilsen: Hospitieren und Gespräche führen mit Menschen, die das schon machen. Und: mit dem Kollegium, das diese Arbeit ja gemeinsam bewältigen wird, in Kontakt bleiben und über die Pläne und Entwicklungen sprechen. Es kann nur funktionieren, wenn die Schulleitung das Team mitnimmt – alles andere würde nach hinten losgehen.