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Alternative zum Königsteiner Schlüssel

Warum wir Bundesmittel anders verteilen sollten

Der Bund verteilt über Bundesprogramme zweckgebundene finanzielle Mittel für die Schulen. Die genaue Verteilung der Gelder richtet sich nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Doch es gibt eine bessere Idee!

Trotz fest im Grundgesetz verankerten Kooperationsverbotes – die grundgesetzliche Regelung, dass der Bund keinen Einfluss auf die Schulpolitik der Länder ausüben darf – stellt die Bundesregierung den Bundesländern über Bundesprogramme zweckgebundene finanzielle Mittel für die Schulen zur Verfügung. Die Programme „Aufholen nach Corona“ sind Beispiele für diese bundesweiten Programme. Wie genau die Gelder der Programme auf die Schulen in den Bundesländern verteilt werden, regelt ein Verteilungsschlüssel. Aktuell ist das der sogenannte Königsteiner Schlüssel. Doch da gibt es ein Problem, findet GEW-Vorsitzende Maike Finnern: „Diese Form der Vergabe ist ungerecht, weil der Schlüssel zuvorderst das steuerliche Aufkommen der Bundesländer als Kriterium für die Verteilung der Gelder hinzuzieht.“

Der Königsteiner Schlüssel wird jährlich neu berechnet. Verantwortlich dafür ist die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK). Den Namen verdankt der Verteilungsschlüssel dem Königsteiner Staatsabkommen vom 31. März 1949. Das Staatsabkommen hat durch die Aufnahme des Art. 91b Satz 2 in das Grundgesetz im Jahre 1969 verfassungsrechtliche Absicherung erfahren (jetzt: Art. 91b Abs. 3 GG). Ort des Treffens, auf dem das Abkommen unterzeichnet worden ist, war die hessische Stadt Königstein im Taunus, die Namensgeber sowohl für den Königsteiner Schlüssel als auch das Königsteiner Staatsabkommen ist.

Quelle: Wikipedia

Der Schlüssel richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen der jeweiligen Bundesländer und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl der Länder. Die Idee dahinter: Es sollten sich die Länder, die ein höheres Steueraufkommen haben, mit einem höheren Anteil an der Finanzierung von Forschungseinrichtungen beteiligen. Die mit ihm ursprünglich verbundene Intention – die Länder mit einem höheren Steueraufkommen tragen größere Finanzierungslasten – wird allerdings ins Gegenteil verkehrt, wenn nun diese Länder den größten Teil der Zuwendungen erhalten. Es entsteht ein Ungleichgewicht. Gelder kommen oft nicht da an, wo sie besonders gebraucht werden, in finanzschwächeren Gegenden.

Ein neuer Verteilerschlüssel muss her!

„Wir sind der Überzeugung, dass Gelder, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt, dort ankommen müssen, wo sie am meisten gebraucht werden“, sagt Finnern. Doch dafür benötigt es einen anderen, einen neuen Verteiltungsmechanismus. Die GEW hat deswegen ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass sich mit einem alternativen Verteilungsschlüssel befasst. Die Wissenschaftler Detlef Fickermann, Jörg-Peter Schräpler und Horst Weishaupt haben sich unter Mitarbeit von Hans-Peter Füssel mit dem Gutachten „Alternativen zum Königsteiner Schlüssel“ daran gemacht, einen neuen Verteilungsschlüssel für Bundesgelder, die im Rahmen von Bund-Länder-Vereinbarungen im Schulbereich an die Länder gezahlt werden, zu entwickeln. Herausgekommen ist ein sozial indiziertes Verteilsystem. Der Grundgedanke dabei: Ungleiches muss ungleich behandelt werden!

Die Autoren des Gutachtens schlagen vier Dimensionen zur Berechnung eines alternativen Verteilerschlüssels für Bundesmittel vor:

1. Wirtschafts- und Finanzkraft der Bundesländer

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einzelner Bundesländer lässt sich einerseits durch das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner*in abbilden und andererseits durch die Steuereinnahmen je Einwohner*in.

2. Soziale Bedürftigkeit

Bildungserfolg – oder Misserfolg – ist hierzulande immer noch eng mit der sozio-ökonomischen Situation der Herkunftsfamilie verknüpft. Deshalb ist es wichtig, die soziale Bedürftigkeit von Familien genauer in den Blick zu nehmen und bei einem Verteilungsschlüssel zu berücksichtigen. Die sozio-ökonomische Lage lässt sich anhand des Anteil der unter 15-Jährigen, die nach dem SGB II leistungsberechtigt sind, der Arbeitslosenquote sowie der Armutsgefährdungsquote abbilden.

3. Bildungsstand

In Deutschland bestimmt eine abgeschlossene Berufsausbildung maßgeblich über eine erfolgreiche berufliche Laufbahn. Eine fehlende abgeschlossene berufsqualifizierende Ausbildung ist in den meisten Fällen hingegen ein Hindernis für ein erfolgreiches Berufsleben. Aufgrund dessen ist es wichtig, den Bildungsstand der Bevölkerung eines Bundeslandes zu berücksichtigen. Einer der beiden von den Gutachtern vorgeschlagenen Indikatoren ist der Anteil der Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren ohne beruflichen Bildungsabschluss.

4. Bevölkerung

Deutschland ist ein Einwanderungsland: Mehr als ein Viertel der Bevölkerung hat mittlerweile einen Migrationshintergrund. Unter den Kindern und Jugendlichen liegt der Anteil mit fast 40 Prozent gar noch höher. Gleichzeitig treten hierzulande Armut und Bildungsbenachteiligung besonders häufig in migrantischen Communities auf, eben deshalb muss der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund bei der Verteilung von Bundesmitteln stärker berücksichtigt werden. Um Zuwanderung zu erfassen, werden als Indikatoren der Anteil der unter 18-Jährigen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung unter 18 Jahren sowie der Anteil der Zugewanderten aus anderen Staaten herangezogen.

Die Vorteile eines Verteilungsschlüssels, der diese Indikatoren nutzt, liegen auf der Hand. Er ist bundeseinheitlich berechenbar, sachlich und rational nachvollziehbar und trägt dazu bei, Bildungsungleichheiten zu verringern. Die Verteilung von Bundesmitteln lässt sich so sehr viel exakter an bestimmte Zielgruppen anpassen.

Wer von einem gerechteren Verteilungsschlüssel profitiert

Es würden Regionen profitieren, die bis jetzt weniger finanzielle Hilfen vom Bund erhielten, in denen aber ein sehr viel höherer Förderbedarf als in anderen Bundesländern besteht. Hierzu gehören die Stadtstaaten Bremen und Berlin, aber auch Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Insgesamt würde dieser sozial indizierte Verteilungsschlüssel für eine deutlich gerechtere Mittelverteilung sorgen und ungleiches endlich ungleich behandeln. Darüber hinaus würden wichtige Kriterien wie etwa die soziale Bedürftigkeit von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden. Dauerhaft hätte dies mehr Chancengleichheit zur Folge. Diese ist dringend notwendig, damit alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von dem Ort, an dem sie aufwachsen, die gleichen Chancen auf Bildungserfolg haben.

Zum Abbau von Bildungsungleichheit muss Bildungs-, Sozial- und Familienpolitik zusammen gedacht werden. Der Vorschlag der GEW für einen alternativen Verteilungsschlüssel berücksichtigt diese  Komponenten, die für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen von entscheidender Bedeutung sind.