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Neue Serie: Bildung im Ganztag

Voraussetzungen guter Mitbestimmung

Zum Start der Artikelreihe werfen wir einen Blick auf die Auswirkungen des Rechtsanspruchs auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sowie die daraus resultierenden Herausforderungen für die Personalvertretungen.*

Illustration: wildpixel

Die Anforderungen, die der Ganztag an die Personalvertretungen stellt, sind gewaltig. Das zeigt allein schon der erwartete Personalzuwachs. Laut des Deutschen Jugendinstituts müssen bis 2029 bundesweit bis zu 65.000 zusätzliche Fachkräfte eingestellt werden, damit der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule erfüllt werden kann. Benötigt werden Fachkräfte verschiedenster Professionen wie Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, Erzieherinnen und Erzieher oder Kindheitspädagoginnen und -pädagogen.

Viele Beschäftigte im Ganztag sind bei den Ländern angestellt, wie die meisten Lehrkräfte, oder bei den Kommunen, wie Horterzieherinnen und -erzieher oder die Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter. Auch freie und kirchliche Träger spielen eine wichtige Rolle. Vielfältig sind zudem die Arbeitsvertragsbedingungen, die von tarifvertraglich geregelten Arbeitsverhältnissen bis hin zu prekären Jobs etwa in der Nachmittagsbetreuung reichen.

Bunt ist auch das Bild der zuständigen Personalvertretungen. Die Lehrkräfte an den staatlichen Schulen mit Ganztagsbetrieb werden von den schulischen Personalräten vertreten. Die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter sowie Erzieherinnen und Erzieher an den Schulen oder in außerschulischen Einrichtungen sind häufig bei den Kommunen angestellt. Für sie sind die kommunalen Personalräte zuständig. Grundlage für beide sind die Landespersonalvertretungsgesetze. Die Beschäftigten der freien und kirchlichen Träger werden von Betriebsräten beziehungsweise von Mitarbeitervertretungen (kirchliche Träger) betreut. Grundlagen sind das Betriebsverfassungsgesetz beziehungsweise die Mitarbeitervertretungsordnungen der Kirchen.

Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte nutzen

Die Personalvertretungen verhandeln keine Tarifverträge, sie entscheiden auch nicht über die gesetzlichen Grundlagen des Ganztags. Aber sie haben Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, wenn es um die Folgen für die Arbeitsplätze geht. Arbeitgeber müssen Arbeitszeit- und Pausenregelungen, Urlaubs- und Personalplanung oder etwa Arbeitsschutzmaßnahmen mit der Personalvertretung beraten. Entscheidungen bei diesen Fragen sind oft zustimmungspflichtig. Arbeitgeber müssen Personalvertretungen über Maßnahmen und Entwicklungen, die die Arbeitsbedingungen betreffen, frühzeitig und umfassend informieren. Eine rechtzeitige Information ist wichtig, weil die Personalvertretungen darüber zu wachen haben, dass die geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebs- oder Dienstvereinbarungen eingehalten werden. Dies geht nur auf der Grundlage einer umfassenden Kenntnis der betrieblichen Gegebenheiten.

Personalvertretungen sollten den Ganztag als wichtiges Thema auf ihre Agenda setzen, in die Betriebsöffentlichkeit einbringen und einen engen Austausch mit den Beschäftigten etablieren. So sollte der Ganztag etwa auf Personal-, Betriebs- und Mitarbeiterversammlungen zu einem Dauerthema werden. Wenn möglich, sollte über Fragen rund um den Ganztag in einem Newsletter oder in der Betriebszeitung berichtet werden.

Konflikte nicht scheuen

Trotz der nicht immer leicht zu durchschauenden Verantwortlichkeiten dürfen Personalvertretungen sich nicht scheuen, Missstände anzuprangern. Zur Illustration ein Beispiel: Wenn ein freier Träger das Personal für die Nachmittagsbetreuung an einer Schule stellt und die Räumlichkeiten dafür nicht die Arbeitsschutzanforderungen erfüllen, kann sich der Arbeitgeber nicht darauf zurückziehen, er sei nicht für die Ausstattung zuständig. Gegebenenfalls muss er eben mit dem Schulträger über Abhilfemöglichkeiten verhandeln.

Zweifelsohne gibt es Arbeitgeber, die einen kooperativen Umgang mit ihren Personalvertretungen pflegen. Aber es gibt eben auch Arbeitgeber, die ihren Verpflichtungen nicht ausreichend nachkommen oder diese gar ignorieren. Damit dürfen sich Personalvertretungen nicht abfinden. Helfen weder Argumente noch Protest, geben ihnen die Mitbestimmungsgesetze Konfliktlösungsmechanismen an die Hand, wie die Anrufung von Einigungsstellen oder den Gang vor die Verwaltungs- und Arbeitsgerichte.

Gewerkschaften unterstützen

Die Personalvertretungen werden mit ihren vielfältigen Aufgaben nicht alleine gelassen, GEW und ver.di unterstützen sie. Die Mitbestimmungsgesetze geben den Gewerkschaften eine wichtige Rolle im Betrieb. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Gewerkschaften haben ein Zugangsrecht zum Betrieb. Sie können die Personalvertretung in rechtlichen Fragen beraten und als Sachverständige zu Betriebs- und Personalversammlungen eingeladen werden. Der Besuch von Schulungen zum Mitbestimmungsrecht und von Konferenzen der Gewerkschaften zum Ganztag ist Personalvertretungen wärmstens zu empfehlen. Neben der Qualifikation dienen solche Veranstaltungen auch dem Austausch und der Vernetzung. 

* Der Text ist eine gekürzte Fassung eines in dem GEW-Sammelband „Ganztag mitgestalten. Praktische Herausforderungen und innovative Konzepte“ veröffentlichten Beitrags.