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Hamburger Bildungssystem in der NS-Zeit

Vor Gericht

In der Reihe „Täterprofile“ porträtiert der Erziehungswissenschaftler Hans-Peter de Lorent die Verantwortlichen des Hamburger Bildungssystems während der NS-Zeit. Dagegen klagt die Enkelin des damaligen Schulsenators Oscar Toepffer.

Der Hamburger Erziehungswissenschaftler und ehemalige Lehrer Hans-Peter de Lorent stellt in seiner Reihe „Täterprofile“ maßgebliche Personen aus dem Schulwesen der NS-Jahre vor.

Die Toepffer-Enkelin will unterbinden, dass Familienbriefe zitiert werden, zudem sieht sie das postmortale Persönlichkeitsrecht des NSDAP-Mitglieds verletzt. Das Gericht schlägt einen Vergleich vor.

Toepffer genoss Hitlers Frankreichfeldzug: „Das Ganze ist mehr ein Pfingstausflug als Krieg. Und wir leben vortrefflich mit erbeutetem Burgunder und Kaffee und holländischen Zigarren“, schrieb er im Mai 1940 an seine Frau Gretchen. Die wiederum berichtete von der Heimatfront: „Wir hörten gestern Abend Radio. Unsere Propaganda ist doch fabelhaft. Und heute spricht der Führer. Selbstverständlich hören wir die Rede.“ Diese und weitere Zitate finden sich im zweiten Band der „Täterprofile“, der 2017 als Eigenpublikation der Hamburger Landeszentrale für politische Bildung herauskam und über die Internetseiten der Stadt abgerufen werden kann. Christel Sachs, eine Enkelin des Ehepaars, störte sich bereits an dem Titel der dreiteiligen Buchreihe – mit dem Verweis auf strafbare Taten werde das postmortale Persönlichkeitsrecht verletzt. Vor allem gehörten die Briefe nicht in die Öffentlichkeit, findet die Juristin.

„Haustürgeschäfte“ warf ihr Mann Joachim Sachs, Miteigentümer der gemeinsamen Anwaltskanzlei, Hans-Peter de -Lorent vor. Christel Sachs ergänzte: „Nie und nimmer hat meine Mutter einer Veröffentlichung zugestimmt!“ Autor de Lorent widersprach: „Ich habe mich nicht unter falschem Namen eingeschlichen, sondern ich bin von der Familie eingeladen worden, in dem Wissen, dass ich Biografien schreibe.“

Gleich zwei Mitglieder der Familie, die mittlerweile verstorben sind, händigten de Lorent eine Sammlung von Briefen aus. „Wenn mir zwei erwachsene Personen Material zur Verfügung stellen, musste ich meiner Meinung nach nicht nach weiteren Familienmitgliedern forschen“, sagte de Lorent bei der Verhandlung und konnte sich einen Seitenhieb auf die Klägerin nicht verkneifen: „In Familien, die vernünftig miteinander umgehen, zirkulieren solche Informationen.“ Er widersprach Christel Sachs, die erklärte, ihre Mutter habe das Material nur „zur Ansicht“ ausgeliehen: „Sie wollte aufräumen mit der Vergangenheit ihres Vaters.“

„Erweiterter Täterbegriff“

Toepffer sei „durchaus nicht unsympathisch“ gewesen, auch sei er erst 1937 auf Druck in die NSDAP eingetreten, so de Lorent. „Alles, was ihn entlastet, habe ich dargestellt“, sagte der Autor auf den Vorwurf von Joachim Sachs, Toepffer solle „an den Pranger gestellt“ werden. „Aber wer in einer NS-Regierung Verantwortung trägt, hat eine Belastung, kann als Täter oder Mittäter gesehen werden.“

Auf den Juristen Toepffer war de Lorent zunächst gestoßen, weil er nach dem Krieg zahlreiche Hamburger Nazi-Größen durch die Entnazifizierungsverfahren begleitete und bei vielen erreichte, dass sie Renten und Ränge behielten. Erst durch den Hinweis eines Nachfahren stieß der ehemalige Hamburger GEW-Vorsitzende de Lorent, der einige Jahre für die Grünen in der Hamburger Bürgerschaft saß, auf Toepffers Karriere während der Hitler-Jahre.

Dass das Porträt das postmortale Persönlichkeitsrecht des 1982 verstorbenen Juristen beschädigt, wies Richter Thorsten Held in einer vorläufigen Einschätzung zurück. Denn eine „grobe Verzerrung des Lebensbildes“ sah er in dem Text nicht, auch der Buchtitel stelle keine Ehrverletzung dar, da ein „erweiterter Täterbegriff“ gemeint sei. Nicht eindeutig beantwortete er die Frage, ob einige der Briefe urheberrechtlich geschützt sein könnten.

Um weiteren juristischen Streit zu vermeiden, steht ein möglicher Vergleich im Raum: De Lorent könnte wörtliche Zitate durch Beschreibungen und indirekte Rede ersetzen. Den Inhalt würde das nicht schmälern, sagte der Autor. Ob für die Klägerin der Zweck erreicht sei, den Großvater zu schützen, wage er zu bezweifeln: „Dieses Verfahren hat Oscar Toepffer eher bekannter gemacht.“

Hans-Peter de Lorent (Foto: privat)