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Situation von Gewerkschaften weltweit

Von den USA bis Uganda

Bildungsgewerkschaften haben weltweit ähnliche Arbeitsschwerpunkte. Dazu gehören der Fachkräftemangel, Privatisierungstendenzen und fehlende Investitionen in die Bildung.

Die größte Bildungsgewerkschaft der USA ist die National Education Association (NEA). Zu deren Mitgliedsgewerkschaften gehört auch die Columbus Education Association (CEA) in Columbus, Ohio. 2022 folgten mehr als 4.500 Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere pädagogische Fachkräfte einem Streikaufruf der CEA gegen soziale Ungleichheit und staatliche Sparpolitik. (Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire)

Hunderttausende Menschen haben sich im vergangenen Jahr in Großbritannien an Bildungsstreiks für eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen der Pädagoginnen und Pädagogen sowie gegen Einschränkungen des Streikrechts beteiligt. Zu den Arbeitskämpfen aufgerufen hatte insbesondere die National Education Union (NEU), die größte britische Bildungsgewerkschaft.Ob eine Bildungsgewerkschaft einflussreich ist, hängt aber nicht nur von ihrer Mitgliederzahl ab. Auch die politischen Rahmenbedingungen, der gesellschaftliche Stellenwert der Bildung, die ökonomische Lage und die Geschichte des jeweiligen Landes sind entscheidend. So sind die Bildungsgewerkschaften in demokratischen Staaten meist besser aufgestellt als in Ländern mit großen politischen Instabilitäten und geringen finanziellen Mitteln.

Besonders starke Bildungsgewerkschaften gibt es in den USA mit der National Education Association (NEA) mit rund drei Millionen sowie der American Federation of Teachers (AFT) mit etwa 1,8 Millionen Mitgliedern. In Europa sind die Bildungsgewerkschaften meist ebenfalls gut organisiert und nehmen Einfluss auf die Bildungspolitik. Neben der GEW mit fast 280.000 Mitgliedern ist die britische NEU zu nennen, die mehr als eine halbe Million Mitglieder vertritt, sowie der Lärarförbundet in Schweden mit mehr als 300.000 Mitgliedern.

Auch außerhalb Europas gibt es zahlreiche Beispiele für starke und erfolgreiche Bildungsgewerkschaften: Die südafrikanische Bildungsgewerkschaft South African Democratic Teachers Union (SADTU) gehört zu den zehn größten Bildungsgewerkschaften weltweit. Der Kenya National Union of Teachers (KNUT) und der Uganda National Teachers Union (UNATU) ist es gelungen, Privatisierungsbestrebungen in der Bildung zurückzudrängen. Die größte Bildungsgewerkschaft Lateinamerikas ist das Sindicato Nacional de Trabajadores de la Educación (SNTE) in Mexico. In Asien hat die Japan Teachers Union (JTU/Nikkyōso) die meisten Mitglieder; in China und Russland gibt es keine unabhängigen Gewerkschaften.

Kürzung der Bildungsausgaben

Mehr als 380 Bildungsgewerkschaften haben sich in der Dachorganisation Education International (EI) zusammengeschlossen. Viele haben ähnliche Schwerpunktthemen: Fachkräftemangel, Privatisierung des Bildungssektors und fehlende Investitionen in die Bildung. Die UNESCO schätzte 2019, dass bis zum Jahr 2030 weltweit knapp 69 Millionen neue Lehrerinnen und Lehrer benötigt würden. In Subsahara-Afrika sei der Mangel am größten. Laut EI sanken die Bildungsbudgets in 65 Prozent der Länder, in denen niedrige und mittlere Einkommen vorherrschen, und in 33 Prozent der Staaten, in denen die Menschen mehrheitlich mittlere und hohe Löhne erhalten.

In den USA stehen Lehrkräfte besonders in republikanisch geführten Staaten wie Florida unter Druck. Der Präsident der Florida Education Association (FEA), Andrew Spar, sagte 2023 im E&W-Interview: „Wir haben Klassenzimmer, in denen es keine Lehrkräfte gibt, sodass der Unterricht von Vertretungslehrkräften abgedeckt werden muss. Manchmal ist eine Person für vier oder fünf Klassen zuständig.“ Die Lehrkräfte seien nicht mehr bereit, unter diesen Bedingungen zu unterrichten. Hinzu komme die niedrige Bezahlung.

2022 veröffentlichte die AFT die Analyse „Here Today, Gone Tomorrow?“. AFT-Präsidentin Randi Weingarten sagte damals: „Wir haben einen Mangel an Respekt für Pädagoginnen und Pädagogen. Einen Mangel an professionellen Arbeitsbedingungen, die es Lehrkräften ermöglichen, ihr Bestes für ihre Schülerinnen und Schüler zu geben. Wir haben einen Mangel an Bezahlung für den wohl wichtigsten Job der Welt.“

In Großbritannien rief im vergangenen Jahr die National Education Union (NEU) zu Arbeitskämpfen auf. Hunderttausende nahmen damals landesweit an einem nationalen Bildungsstreik teil. (Foto: IMAGO/Avalon.red)

Privatisierung der Schulen

In dem Bericht schlägt die AFT vor, Gehälter und Sozialleistungen zu erhöhen, Klassengrößen zu senken, Kollegien zu diversifizieren und Verwaltungsaufgaben zu reduzieren. Ähnliche Vorschläge veröffentlichte die NEA. Sie plädiert auch für langfristige Strategien zur Anwerbung und Bindung von Lehrkräften.

Jüngst kritisierte Weingarten, die Republikaner wollten die Schulen des Landes zerstören, indem sie planten, die Mittel des Bildungsministeriums um elf Milliarden US-Dollar zu kürzen. Der Gewerkschafter Spar warf Floridas republikanischem Gouverneur Ron DeSantis 2023 vor, die Privatisierung des Schulsystems zu fördern. In dem Bundesstaat bekommen Eltern Gutscheine, um ihre Kinder an Privatschulen einzuschreiben. Dadurch fehlten den ohnehin unterfinanzierten öffentlichen Schulen geschätzt rund drei Milliarden US-Dollar.

Auch in Großbritannien ist die indirekte Schulprivatisierung weit fortgeschritten. Emma Forrest, Organizing-Expertin der NEU, sagte 2021 im Gespräch mit GEW-Kolleginnen und -Kollegen, immer mehr Schulen erklärten sich zu sogenannten Charter-Schools oder Academies. Diese könnten mit Ausnahme weniger Kernfächer sehr frei über ihre Struktur und Bildungsangebote entscheiden. Oft werde das Curriculum stark auf akademische Inhalte ausgerichtet, musische und künstlerische Fächer entfielen.

Erfolge in Kenia und Uganda

In einigen Ländern Afrikas ist das Engagement der Bildungsgewerkschaften gegen die Privatisierung der Schulen unterdessen erfolgreich. So stellte die International Finance Corporation (IFC) der Weltbank nach der jahrelangen EI-Kampagne „Global Response“ ihre millionenschwere Förderung der Privatschulkette Bridge International Academies inzwischen ein. Die Kette ist der größte Low-Cost-Privatschulanbieter der Welt. Gewerkschaften wie die kenianische KNUT kritisieren die Bridge-Schulen seit langem. Wer dort unterrichtet, habe keine ausreichende Ausbildung. Die Klassenräume seien häufig unsichere Gebäude und Hütten. Außerdem halte sich Bridge nicht an nationale Lehrpläne.

Der EI-Koordinator für Afrika, Dennis Sinyolo, sagte 2021 im E&W-Interview: „In Kenia und Uganda haben wir gezeigt, dass die Bridge-Schulen gegen die Standards der Regierungen verstoßen. Die Behörden haben reagiert und zahlreiche Schulen geschlossen.“ Es bleibe jedoch noch viel zu tun, weil weitere Akteure die Privatisierung vorantrieben.