Duales Studium
Von Anfang an im Klassenzimmer
Unter dem Druck des zunehmenden Lehrkräftemangels gibt es in den Ländern Bewegung bei der Ausbildung. So drängt Thüringen in Richtung duales Studium für angehende Lehrerinnen und Lehrer.
Prof. Gerd Mannhaupt, Vizepräsident für Studienangelegenheiten an der Universität Erfurt und als Hochschullehrer selbst aktiv in der Lehrkräfteausbildung, erläutert, was mit dem neuen Schuljahr startet: das duale Lehramtsstudium. Es fokussiert sich zunächst auf die Regelschulen, also auf die Klassen 5 bis 9/10. Studium und Schulpraxis verlaufen parallel, „die Studierenden gehen zwei Tage in die Schule und drei Tage zur Universität“.
Für Mannhaupt liegen die Unterschiede des dualen Studiengangs im Vergleich zum traditionellen Lehramtsstudium nicht bei den Inhalten, sondern bei der Organisation. So sind die dual Studierenden vom ersten Tag an in „ihrer Praxisschule“ angestellt und verdienen Geld. Die „Bachelor-Phase“ dauert acht Semester, die „Master-Phase“ dagegen nur zwei.
Mit Beginn des nächsten Schuljahrs starten bis zu 50 Studierende mit einem Onboarding-Praktikum in „ihrer“ Schule und absolvieren danach dort Praxisanteile in den ersten beiden Semestern in den vorlesungsfreien Monaten. Ab dem dritten Semester beginnt dann der Wechsel: zwei Tage pro Woche in der Schule und drei Tage an der Universität. In der dualen Variante geht es zunächst einmal nur um das Hauptfach. Das zweite Fach kommt erst im 7. Semester hinzu. Das duale Studium beschränkt sich auf die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch, Sport und Technik, wobei alle Zweierkombinationen möglich sind.
Bildungsminister Helmut Holter (Linke) wirbt auf der Internetseite seines Ministeriums für den neuen Studiengang. „Was Sie an der Uni lernen, können Sie direkt im Klassenzimmer anwenden. So sammeln Sie Praxiserfahrung von Anfang an“, heißt es dort.
Bezahlung ab dem ersten Semester
Während der gesamten Dauer des dualen Studiums bekommen die Studierenden eine Bezahlung (aktuell pro Monat im Bachelor 1.400 Euro, im Master 1.650 Euro). Als Gegenleistung zum Studienvertrag mit Vergütung binden sich die Studierenden für die Zeit des Studiums sowie fünf weitere Jahre (inklusive Vorbereitungsdienst) an den Freistaat.
Mark Rackles, Ex-Bildungsstaatssekretär im Land Berlin und Bildungsexperte, sieht mit dem dualen Studium die traditionelle Ausbildung auf einer „schiefen Ebene“: Die bisherigen Selbstverständlichkeiten wie die Zweiphasigkeit oder die hohe Theorielastigkeit („Gerne auch als Fachlichkeit verkauft“) seien infrage gestellt. Zudem setze die duale Option das klassische Lehramtsstudium auf „heilsame Weise“ Veränderungsdruck aus, „indem die Studierenden im dualen Studium nicht nur praxisnäher ausgebildet, sondern zudem bereits in der Ausbildung bezahlt werden – ich begrüße das sehr“.
GEW wird Entwicklung kritisch begleiten
Prof. Franz Kaiser, Gründungsdirektor des Instituts für Berufspädagogik an der Universität Rostock, sieht „ein Wiedererwachen“ der einphasigen Lehrkräfteausbildung aus DDR-Zeiten und Parallelen zu nordischen Staaten. In Deutschland scheine die Not der Stunde solche Wege wieder „freizufegen“. Trotzdem ist er skeptisch, was den Erfolg angeht. Duale Studiengänge „könnten aber einen Zugang für junge Menschen aus ökonomisch schwächeren Herkünften auftun“.
In den Entwicklungsprozess des dualen Studiums für das Lehramt an den Regelschulen war die GEW Thüringen nicht eingebunden. „Das hätte besser laufen müssen“, kritisiert die Landesvorsitzende Kathrin Vitzthum. „Dass es mehr Praxis in der Lehrkräfteausbildung bedarf, ist uns schon lange klar und wird von der GEW seit Jahren angemahnt. Insofern ist die Einrichtung eines dualen Studiums ein guter Weg, den wir kritisch im Interesse der Studierenden und der Institution Schule begleiten.“
„Ausbildung bleibt Ausbildung und ist keine dauerhafte Vertretung – das gilt für die GEW weiterhin.“ (Kathrin Vitzthum)
Trotzdem dämpft sie die hohen Erwartungen. „Ausbildung bleibt Ausbildung und ist keine dauerhafte Vertretung – das gilt für die GEW weiterhin.“ Vitzthum erwartet wie Prof. Kaiser, dass das duale Studium für Studierende, die von zu Hause aus über wenig finanzielle Mittel verfügen, interessant ist. „Das duale Studium könnte deshalb ein Stück weit zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen.“
Andreas Keller, GEW-Vorstandsmitglied Hochschule und Forschung, sieht in der Praxisorientierung und Vergütung die Chance, das Lehramtsstudium für neue Zielgruppen attraktiv zu machen.