Digitalisierung an Schulen
Vom Vorzeigeprojekt zum Auslaufmodell?
Im Schatten der Schuldenbremse verhandeln Bund und Länder derzeit über den Digitalpakt 2.0. Die GEW hält den aktuellen Entwurf für völlig unzureichend.
Am Beginn stand das Prinzip Hoffnung: „Gemeinsam mit den Ländern werden wir die öffentlichen Bildungsausgaben deutlich steigern und dafür sorgen, dass die Unterstützung dauerhaft dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird“, schrieben die frischgebackenen Partner der Ampel-Regierung 2021 in den Koalitionsvertrag. Eine Fortsetzung des im Mai 2024 ausgelaufenen „Digitalpakt Schule“ steht derzeit vor dem Hintergrund der Haushaltskürzungen jedoch noch immer auf der Kippe.
Zumindest eines ist klar: Lückenlos, wie von der GEW gefordert, wird der Digitalpakt nicht fortgeführt. Die Bundesländer drängen seit Monaten beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf eine neue Bund-Länder-Vereinbarung. Ob und wann Brief und Siegel unter ein solches Papier kommen, ist noch immer unklar. Die Haushaltsvorgaben der Ampel-Regierung bremsen das Vorhaben aus.
„Der Bund darf sich nicht aus der Verantwortung bei der Schuldigitalisierung stehlen. Wir fordern eine Verstetigung der Digitalpaktmittel – weder einen leisen Rückzug des Bundes noch ein abruptes Ende.“ (Ralf Becker)
Nach langem Hinauszögern hat das BMBF den Ländern Ende April endlich einen Entwurf zur Vereinbarung für den Digitalpakt 2.0 vorgelegt. Dieser bietet einigen Diskussions- und Sprengstoff. Einzelne Kultusministerien reagierten bisher (sehr) unzufrieden. Die GEW kritisierte den Entwurf Anfang Mai scharf. Das Papier sieht eine „letztmalige Unterstützung des Bundes“ von 2025 bis 2030 vor. Der Finanzierungsanteil des Bundes am Digitalpakt 2.0 soll von bisher bis zu 90 Prozent auf 50 Prozent reduziert werden – und ab 2030 komplett entfallen. Zudem will das BMBF den Ländern vorschreiben, wie viele verpflichtende Fortbildungen sie anbieten müssen. Ob sich Bund und Länder bis zur nächsten Sitzung der Kultusministerkonferenz (KMK) Mitte Juni einigen werden, ist fraglich.
Ralf Becker, GEW-Vorstandsmitglied Berufliche Bildung und Weiterbildung, mahnt: „Der Pakt muss kommen. Der Bund darf sich nicht aus der Verantwortung bei der Schuldigitalisierung stehlen. Wir fordern eine Verstetigung der Digitalpaktmittel – weder einen leisen Rückzug des Bundes noch ein abruptes Ende. Unsere Vorschläge für eine nachhaltige und sozial gerechte digitale Ausstattung und Infrastruktur an Schulen liegen schon lange auf dem Tisch.“
Profession statt Profit
Das GEW-Positionspapier für den Digitalpakt 2.0 skizziert, wie es weitergehen könnte. Die digitale Ausstattung der Schulen ist demnach so anzulegen, dass sie nachhaltig wirkt. Für eine gelingende Umsetzung müssen Kriterien entwickelt werden. Angesichts der Klimakrise senden ungenutzte oder häufig gewechselte Geräte das falsche Signal. Eine nachhaltige und sinnvolle digitale Infrastruktur an Schulen im Sinne einer Grundversorgung für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte berücksichtigt auch IT und Wartungsstrukturen vor Ort. Diese Aufgabe ist nicht von Lehrkräften „on top“ oder mit nicht ausreichender Freistellung zu bewältigen.
„Unser Ziel ist, jedem Kind und jeder Lehrkraft die gleichen Möglichkeiten zu bieten, mit digitalen Geräten in einer gut ausgestatteten Infrastruktur gut zu lernen und gut zu arbeiten.“ (Anja Bensinger-Stolze)
Digitale Schulentwicklungsprozesse brauchen mehr zeitliche, finanzielle und fachliche Ressourcen als bisher. Oft läuft es aber in die andere Richtung. Alles soll möglichst schnell passieren, ohne jedoch die adäquaten öffentlichen Mittel und Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Das kritisiert Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule: „Digitalisierung an Schulen darf nicht von Effizienzkriterien und Profitinteressen getrieben sein. Unser Ziel ist, jedem Kind und jeder Lehrkraft die gleichen Möglichkeiten zu bieten, mit digitalen Geräten in einer gut ausgestatteten Infrastruktur gut zu lernen und gut zu arbeiten. Bildungsfragen und pädagogische Konzepte müssen auch im Digitalpakt 2.0 handlungsleitend bleiben.“
Für eine Mittelverteilung nach sozialen Indikatoren
Die GEW setzt sich deshalb für eine transparente, gerechte und soziale Steuerung eines künftigen Digitalpakts ein, die sich an einem umfassenden Qualitätsmonitoring und den Professionsinteressen orientiert. Für gute Arbeits- und Lernbedingungen muss auch die steigende Arbeitsbelastung der Beschäftigten in den Blick genommen werden. Hierzu gehören Maßnahmen der Gesundheitsprävention ebenso wie eine gute Ergonomie bei Arbeitsgeräten und das Recht auf Nichterreichbarkeit.
Der BMBF-Entwurf sieht eine Zuweisung der Digitalpaktgelder anhand der Zahl der Lernenden vor. Das wird dem GEW-Vorschlag, die Mittel nach sozialen Kriterien zu verteilen, also „Ungleiches ungleich zu behandeln“, nicht gerecht. Um eine sozial ausgewogene und gerechte Steuerung des Digitalpakts 2.0 zu erreichen, setzt sich die Bildungsgewerkschaft dafür ein, Mittel nach sozialen Indikatoren zu verteilen und finanzschwache Kommunen gezielt zu fördern. Ein transparentes Monitoring kann dies unterstützen. Utopie? Keineswegs:
Der Multiple Benachteiligungsindex (MBI) etwa zeigt konkret, wie Mittel sozial gerecht verteilt werden könnten. Der MBI umfasst vier Dimensionen: die Wirtschafts- und Finanzkraft eines Landes, die soziale Bedürftigkeit, den Bildungsstand der Bevölkerung und weitere Indikatoren wie den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund oder die Zahl der Menschen, die jünger als 18 Jahre sind. Zeit also, mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zu wagen.