Zum Inhalt springen

Kommentar

Vielfalt statt Verbote

Ein Genderverbot verhindert die freie Entwicklung der Sprache.

Frauke Gützkow, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands, AB Frauen-, Gleichstellungs-, Geschlechterpolitik (Foto: Alice End)

Es ist eine Entscheidung mit Signalwirkung: Bayern verbietet gendersensible Sprache an Schulen, Hochschulen und in Behörden. Seit Anfang April dürfen Gendersternchen, Binnen-I oder Doppelpunkt im dienstlichen Schriftverkehr nicht mehr verwendet werden, egal ob bei Schulaufgaben, in Elternbriefen oder amtlichen Mitteilungen. Und Bayern ist nicht das erste Bundesland, das Sprache mit Verboten in eine Zwangsjacke steckt.

Wer nun auf Verbote setzt, negiert, dass es diese Diversität gibt – und unsere Gesellschaft sehr wohl mit ihr umgehen kann und sie akzeptiert.

Das ist fatal. Denn es blendet eine Vielfalt aus, derer sich die Gesellschaft längst bewusst ist: Es gibt nicht nur männlich und weiblich, sondern sehr viel mehr. Gendergerechte Sprache macht diese Vielfalt sichtbar. In der Schule, im Alltag, in offiziellen Dokumenten. Wer nun auf Verbote setzt, negiert, dass es diese Diversität gibt – und unsere Gesellschaft sehr wohl mit ihr umgehen kann und sie akzeptiert. Genau deshalb hat das Bundesverfassungsgericht eine dritte Option für den Geschlechtereintrag im Personenstandsgesetz festgelegt – neben männlich, weiblich und ohne Angabe kommt nun divers – und damit eine Entwicklung juristisch besiegelt, die gesellschaftlich längst vollzogen ist. Diese spiegelt sich natürlich auch in der Sprache wider, die sich verändert hat und weiter verändern wird.

Mit Verboten wollen einzelne Bundesländer die freie Sprachentwicklung nun offenbar stoppen. Der Deutsche Rechtschreibrat will „die weitere Sprachentwicklung beobachten“. Aber wie soll sich Sprache frei entwickeln, wenn Verbote das verhindern? Ohnehin ist sprachlicher Wandel immer langwierig. Heute ist die Anrede „Liebe Schülerinnen und Schüler …“ selbstverständlich, den Schritt zu „Liebe Schüler*innen …“ haben viele schon vollzogen.

GEW gegen Verbote

Die GEW spricht sich daher gegen Verbote gendersensibler Sprache an Bildungseinrichtungen aus. Es ist absurd, Lehrende zu sanktionieren, weil sie alle Schüler*innen mit ihren geschlechtlichen Identitäten adäquat ansprechen. Es ist absurd, Schüler*innen dafür zu bestrafen, wenn sie sich gendergerecht ausdrücken möchten. Sie sollten frei entscheiden können, wie sie unterschiedliche Geschlechter und Lebensformen benennen. Sie sollten erleben, dass diese Entscheidungsfreiheit zu einer liberalen, offenen Gesellschaft gehört, statt zu erfahren, dass Werte eine Frage politischer Setzungen und konstruierter Polarisierungen sind.

Für welche Sprech- und Schreibweise sich der*die Einzelne auch entscheidet: Diese sollte diskriminierungsfrei und inklusiv sein.

Für welche Sprech- und Schreibweise sich der*die Einzelne auch entscheidet: Diese sollte diskriminierungsfrei und inklusiv sein. In einer freien Gesellschaft ist für antifeministische Positionen ebenso wenig Platz wie für queerfeindliche. Unterschiedlichkeit wertzuschätzen, gehört zum Fundament einer offenen Gesellschaft. Das mag manchmal mühsam sein in der Umsetzung, es ist unverzichtbar für eine Gesellschaft, in der man unterschiedlichen Lebensformen respektvoll begegnet.