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Fachkräftemangel in der Bildung

Viele werfen das Handtuch

Auch in der Weiterbildung fehlen qualifizierte Lehrkräfte sowie Dozentinnen und Dozenten. Was sind die Gründe? Und was lässt sich dagegen tun?

In der Weiterbildung sind rund 700.000 Menschen tätig. Rund 73 Prozent arbeiten auf Honorarbasis, viele im Nebenjob. (Foto: Pixabay / CC0)

Irgendwann hatte sie genug. Zu unsicher, zu prekär waren die Arbeitsbedingungen als freiberufliche Englisch-Dozentin an der Volkshochschule (VHS). Die Kollegin, sie möchte anonym bleiben, schmiss hin. Heute arbeitet sie als pädagogische Mitarbeiterin in einem Museum. Festangestellt, bezahlt nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Ein Fall aus dem Ruhrgebiet.

Dass Honorarkräfte das Handtuch werfen, ist einer der Gründe für den Fachkräftemangel in der Weiterbildung. Während der Corona-Pandemie, als bundesweit Kurse ausfielen, brach vielen das Einkommen weg, staatliche Hilfe fehlte oder kam erst spät. Zahlreiche Honorarkräfte wechselten in „andere, stabilere berufliche Felder“, erklärt Jonathan Kohl vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE) in Bonn.

„Ein Zwei-Stunden-Kurs abends mit Anreise per Auto ist für Kursleitende finanziell kaum noch attraktiv.“ (Bernd Käpplinger)

Auch die extrem steigenden Kosten für Gas, Strom und Benzin zeigen Wirkung. Besonders im ländlichen Raum. „Ein Zwei-Stunden-Kurs abends mit Anreise per Auto ist für Kursleitende finanziell kaum noch attraktiv“, betont Bernd Käpplinger, Professor für Weiterbildung an der Uni Gießen. Zudem fehle der Nachwuchs, erklärt Käpplinger: „Bei den Studierenden nehme ich wahr, dass viele in den frühkindlichen Bereich, in die Ganztagsschulbetreuung oder andere Bereiche mit festen Arbeitsverhältnissen abwandern.“

In der Weiterbildung sind rund 700.000 Menschen tätig. Rund 73 Prozent arbeiten auf Honorarbasis, viele im Nebenjob. Von den Honorarkräften, die vom Unterrichten leben, seien 60.000 „von prekären Beschäftigungsbedingungen betroffen“, heißt es im Nationalen Bildungsbericht 2022. Wie groß der Fachkräftemangel ist, lasse sich „noch nicht beziffern“, unterstreicht Käpplinger. Aus der Praxis erfahre er, dass vor allem „das Finden von Kursleiterinnen und Kursleitern schwieriger geworden ist“. An einigen Volkshochschulen, so Kohl vom DIE, fehlten Lehrkräfte mit Online-Kompetenzen; entsprechende Kurse könnten nicht angeboten werden.

Befristete Projektstellen

Betroffen ist auch Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache (DaF/DaZ). Ein Bewerber aus Afghanistan habe sieben Monate warten müssen, bis er einen Platz in einem Integrationskurs an der VHS Köln bekam, berichtet ein Kollege Kohls. Die Volkshochschulen in Thüringen haben Probleme, Stellen für Beratung in der Weiterbildung, etwa für Integrationskurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder für politische Bildung, zu besetzen. „Es handelt sich um Projektstellen, immer befristet, oft jährlich“, erklärt Steffi Dietrich-Mehnert vom Thüringer Volkshochschulverband. Das sei vielen zu unsicher.

„Grundsätzlich aber brauchen wir Dauerstellen für Daueraufgaben, ein Tariftreuegesetz für die Weiterbildung und mehr Fortbildungsangebote für Kursleitende.“ (Ralf Becker)

Was tun? Die GEW fordert seit Jahren, die Arbeitsbedingungen für Angestellte – die oft nur befristet beschäftigt sind und unter TVöD-Tarif bezahlt werden – und für Honorarkräfte zu verbessern. Dazu müssten die Mittel für die öffentlich geförderte Weiterbildung aufgestockt werden. „Ein erster Schritt wäre, den Honorarkräften Zuschüsse zur Sozialversicherung und die Honorare im Krankheitsfall fortzuzahlen“, erklärt Ralf Becker, GEW-Vorstandsmitglied Berufliche Bildung und Weiterbildung. „Grundsätzlich aber brauchen wir Dauerstellen für Daueraufgaben, ein Tariftreuegesetz für die Weiterbildung und mehr Fortbildungsangebote für Kursleitende“, sagt Becker. „Dann lässt sich der Fachkräftemangel eindämmen.“