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Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen

Jeder Beschäftigte des öffentlichen Dienstes kennt aus seinem Arbeitsvertrag sogenannte Verweisungsklauseln auf geltende Tarifverträge. Nun hat sich die Rechtsprechung zu den Verweisen geändert.

Zunächst ein Überblick: Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes verwenden als Arbeitsverträge Formulare. Diese enthalten Verweisungsklauseln, mit denen auf die jeweils geltenden Tarifverträge Bezug genommen wird.

Diese Vorgehensweise ist aus zwei Gründen sinnvoll und erforderlich:

Zum einen erfüllen die Arbeitgeber damit ihre Verpflichtung nach dem Nachweisgesetz, über die wesentlichen Inhalte des Arbeitsvertrags zu informieren.

Zum anderen wird damit der Wille bekundet, die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge anzuwenden. Grundsätzlich erfolgt eine dynamische Inbezugnahme. Das bedeutet, dass die jeweils genannten Tarifverträge auch in einer geänderten Fassung gelten. Im Arbeitsvertrag wird dies durch folgende oder ähnliche Formulierungen kenntlich gemacht: "... gilt der xy-Tarifvertrag in der jeweiligen Fassung ..." oder "Es kommen die jeweils geltenden Vorschriften des xy-Tarifvertrages sowie die diesen Tarifvertrag ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge zur Anwendung." Davon abzugrenzen sind die statischen Verweisungsklauseln. Sie beziehen sich lediglich auf eine bestimmte Fassung des Tarifvertrages oder sogar nur auf einen Teil des Tarifvertrages, der Geltung haben soll.

Statische Verweise erkennt man an folgender oder ähnlichen Formulierungen: "... gilt der xy-Tarifvertrag vom 1. Dezember 2005."

Fehlt ein eindeutiger Verweis auf Tarifverträge, muss in solchen Fällen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte ermittelt werden, welche Tarifnormen nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien für das Arbeitsverhältnis gelten sollen. Die folgenden oder ähnliche Formulierungen weisen hierauf hin: "Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich in Anlehnung an den TV-L."

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ging in seiner Rechtsprechung bis zum 31. Dezember 2001 davon aus, dass die in Arbeitsverträgen verwendeten dynamischen Verweisungsklauseln gleichzeitig eine so genannte Gleichstellungsabrede enthielten, so dass die nichtorganisierten Arbeitnehmer durch eine arbeitsvertragliche Regelung den organisierten Arbeitnehmer, die per Gesetz an den Entwicklungen der Tarifverträge teilnahmen, gleichgestellt waren. Das BAG ging davon aus, dass diese Regelung dem Willen des Arbeitgebers entsprach. Der Arbeitgeber darf nämlich nicht Arbeitnehmer nach ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit fragen. Es bot sich also an, von Anfang an alle gleich zu behandeln.

Bei Austritt oder Ausschluss des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband bedeutete dies, dass die Arbeitnehmer nicht mehr an den dynamischen Entwicklungen des Tarifvertrages beteiligt waren, da der Arbeitgeber nicht mehr tarifgebunden war und der Tarifvertrag lediglich statisch weiter galt. Diese Rechtsfolge traf alle Arbeitnehmer - unabhängig davon, ob sie organisiert oder nicht organisiert waren.

Diese Rechtsprechung des BAG ist mehrfach auf Kritik gestoßen. Der 4. Senat des BAG kündigte in seiner Entscheidung im Dezember 2005 an, seine Rechtsprechung zu ändern und dynamische Verweisungsklauseln nicht mehr als Gleichstellungsabrede auszulegen. Lediglich für Verträge, die bis zum 31. Dezember 2001 abgeschlossen worden sind, soll die alte Rechtsprechung aus Gründen des Vertrauensschutzes noch angewendet werden.

Für Verträge, die nach dem 31. Dezember 2001 abgeschlossen worden sind, kann bei der Auslegung nicht mehr von vornherein davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber alle Beschäftigten unabhängig von ihrer Tarifbindung gleichstellen wollte. Es bedarf vielmehr der Vertragsauslegung, ob und unter welchen Bedingungen die Tarifverträge dynamisch gelten sollen.

Die Konsequenz dieser geänderten Rechtsprechung ist, dass die Verbandstarifverträge - wie der Tarifvertrag der Länder (TV-L) auch nach Austritt oder Ausschluss des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband durch Verweisung im Arbeitsvertrag dynamisch gelten. Nur bei einer statischen Verweisung auf die Verbandstarifverträge würden Arbeitnehmer nicht mehr von den Änderungen der jeweils geltenden Tarifverträge profitieren.

Auf die geänderte Rechtsprechung hat die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) reagiert, indem sie in ihren Musterarbeitsverträgen auf das Tarifrecht der Länder in der für das jeweilige Land geltenden Fassung verweist. Tritt ein Land aus dem Verband aus, werden die danach vereinbarten Veränderungen der TdL-Tarifverträge nicht mehr durch arbeitsvertragliche Bezugnahme für das Arbeitsverhältnis der Beschäftigten wirksam.

Peter Jonas, Katrin Löber, Ilse Schaad, GEW-Arbeitsbereich Angestellten- und Beamtenpolitik