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Uganda

Verlernt zu lernen

Nach fast zwei Jahren Corona-Pause öffneten die Schulen in Uganda im Januar wieder. Doch viele Kinder und Lehrkräfte kehrten nicht zurück. Die -Bildungsgewerkschaft UNATU versucht, sie zurückzugewinnen.

Fast zwei Jahre lang waren die Schulen in Uganda geschlossen. Am 10. Januar öffneten sie wieder. (Foto: picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Hajarah Nalwadda)

Sie haben ihre Schuluniform angezogen, ihre Hefte eingepackt, sich von den Eltern verabschiedet – und toben wieder über den Hof des so lange verlassenen Schulgebäudes. Szenen wie diese gab es am 10. Januar fast überall in Uganda zu sehen. „Es war ein Mix aus Freude und Sorge“, sagt Filbert Baguma, Generalsekretär der Uganda National Teachers‘ Union, kurz UNATU.

Freude, weil die Schulen in dem ostafrikanischen Land an diesem Tag ihre Türen wieder öffneten. Fast zwei Jahre lang waren sie wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Sorge, weil die Schulen nach dieser erzwungenen Pause viele Kinder und Lehrkräfte verloren haben. „Manche für immer“, befürchtet Baguma.

Denn etliche Kinder haben Jobs übernommen, damit die Familie in der Corona-Krise über die Runden kommt. Kinderarbeit habe im Land massiv zugenommen, sagt Baguma. Selbst Fünfjährige verkaufen Eier oder Bananen auf der Straße. Ältere Jungs schürfen in Minen Gold oder schuften auf Fischerbooten. Andere sind in den beiden Jahren vom Kind zum Teenager herangewachsen, verdienen jetzt Geld und haben das Interesse am Unterricht verloren. „Auch etliche Mütter und Väter finden, dass die Kinder mit 15 oder 16 Jahren zu alt für die Schule sind“, bedauert Baguma.

Zwangsverheiratet oder schwanger

Verloren haben die Schulen auch unzählige Mädchen, die zwangsverheiratet oder schwanger wurden – „viele nach sexuellem Missbrauch durch Väter, Brüder, Onkel“, sagt Baguma. Zu Hause waren sie nicht geschützt. Keine Lehrkraft konnte den Missbrauch bemerken. Und beenden.

Auch an vielen dieser erfahrenen Lehrkräfte fehlt es heute. „Lehrerinnen und Lehrer gingen durch eine sehr schwere Zeit“, sagt Baguma. Die staatlichen Schulen zahlten das Gehalt meist weiter, die privaten Einrichtungen nicht. Lehrkräfte, aber auch Köchinnen oder Hausmeister haben sich daher in der Corona-Pause einen anderen Job gesucht. „Dass sie alle fehlen, zeigen die vielen Stellenanzeigen.“

„Ohne Bildung werden die drop outs nie der Armut entkommen.“ (Filbert Baguma)

Die Bildungsgewerkschaft UNATU versucht mit Unterstützung der GEW, Kinder und Lehrkräfte wieder zurück an die Schulen zu holen. Über Kampagnen, Social Media oder TV macht die Gewerkschaft mobil – mit der Botschaft: Bildung ist wichtig. „Ohne Bildung werden die drop outs nie der Armut entkommen“, sagt Baguma. Geschätzt 87 Prozent der Zehnjährigen konnten schon vor der Pandemie nicht richtig lesen und schreiben, heute sind es mehr als 90 Prozent, schätzt das Kinderhilfswerk UNICEF.

Anfangs hätte UNATU noch hinter dem Schul-Lockdown gestanden. Man wollte verhindern, dass sich Kinder, Lehrkräfte und Eltern infizieren. „Doch als Märkte und Kirchen wieder öffneten, sahen wir keinen Grund, den Unterricht weiter auszusetzen.“ Durchsetzen konnte sich die Gewerkschaft, die vier von fünf Lehrerinnen und Lehrern im Land vertritt, nicht. Heute sind 80 Prozent der Lehrkräfte im Land zumindest einmal geimpft.

„Wer einen eigenen Laden aufmacht oder einen Job in einer Behörde bekommt, verdient meist mehr – und wird sehr wahrscheinlich nicht wieder unterrichten.“

Neue Lehrerinnen und Lehrer gewinne man aber nur, wenn der Beruf in Uganda endlich aufgewertet werde – auch über das Gehalt. Umgerechnet 130 Euro im Monat verdient eine Lehrkraft an einer staatlichen Grundschule, 170 Euro an einer höheren Schule. „Das ist zu wenig“, sagt Baguma. „Wer einen eigenen Laden aufmacht oder einen Job in einer Behörde bekommt, verdient meist mehr – und wird sehr wahrscheinlich nicht wieder unterrichten.“ Die Folgen trägt das ganze Land – und seine Kinder.