Am 28. Januar 1972 beschlossen der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und die Regierungschefs der Länder: "Nach den Beamtengesetzen in Bund und Ländern darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt." Beamte seien verpflichtet, sich aktiv innerhalb und außerhalb des Dienstes für die Erhaltung dieser Grundordnung einzusetzen.
Ziel des sogenannten Radikalenerlasses: Vor allem "linksverdächtige" Menschen sollten aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten werden.
3,5 (nach anderen Quellen 1,4) Millionen Regelanfragen beim Verfassungsschutz, 11 000 Verfahren wegen Tätigkeitsverbots, 2200 Disziplinarverfahren, 1250 (nach anderen Quellen 1100) Ablehnungen von Bewerberinnen und Bewerbern sowie 265 Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst waren die Folge.
Aus Anlass des 40. Jahrestages betonte GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne: "Radikalenerlass und Berufsverbote waren ein verhängnisvoller politischer Fehler, der sich nicht wiederholen darf. Er hat das Leben zahlreicher Menschen massiv beeinträchtigt, ihnen Berufs- und Lebenschancen genommen. Der Staat schuldet den Opfern bis heute eine Rehabilitation. Die Demokratie hat erheblichen Schaden genommen."
Blinder Fleck gegenüber der Gefahr von Rechts
Thöne kritisierte, dass auch heute die Devise der Verfassungsschutzbehörden und vieler Politiker offenbar immer noch laute: "Der Feind steht links.“
"Das eklatante Versagen der Sicherheitskräfte im Fall der rechtsextremistischen Zwickauer Terrorzelle fördert einen blinden Fleck gegenüber der Gefahr von Rechts zu Tage", unterstrich der GEW-Vorsitzende. Es sei an Zynismus kaum zu überbieten, dass sich auch jene, die sich im Kampf gegen Rechts engagieren, einem Generalverdacht der Verfassungsuntreue ausgesetzt sähen.
In diesem Zusammenhang forderte Thöne die Bundesregierung auf, die sogenannte "Extremismusklausel" bei der Vergabe von Fördergeldern für Projekte gegen Rechts unverzüglich zu streichen. Als besorgniserregend bezeichnete er darüber hinaus die Offensive von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) gegen vermeintlichen "Linksextremismus" in den Medien. "Wer ein derartiges politisches Klima fördert, braucht dringend Nachhilfe in Geschichte. Frau Schröder sollte sich mit der erschreckenden Tatsache befassen, dass gut ein Fünftel der jungen Menschen unter 30 Jahren mit dem Begriff Auschwitz nichts anfangen kann."
Verhängnisvoller politischer Fehler
Anlässlich des 40. Jahrestages des Radikalenerlasses mahnt die GEW die Politik in Bund, Ländern und Kommunen, demokratisches Engagement zu fördern und die menschenunwürdige Gesinnungsschnüffelei gegen politisch aktive Menschen mit linker Orientierung zu stoppen.