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WissZeitVG

Vergebene Chance

Nach monatelangen Debatten hat das Bundeskabinett die geplante Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) gebilligt. Die GEW und andere Fachleute kritisieren den Entwurf und fordern eine Überarbeitung.

Der wissenschaftliche Nachwuchs kämpft schon seit vielen Jahren gegen das Befristungsunwesen an den Universitäten. Im Bild: Protestaktion der GEW am Brandenburger Tor in Berlin 2015 (Foto: Kay Herschelmann)

Ende März billigte das Bundeskabinett die geplante Reform des WissZeitVG. Trotz monatelangen Hin und Hers ist der Entwurf weitgehend identisch mit dem Referentenentwurf, den das FDP-geführte Bildungsministerium bereits vor knapp einem Jahr im Alleingang vorgelegt hatte. Unberücksichtigt blieb damit die Kritik, die SPD und Grüne an der Vorlage äußerten, ebenso wie Fachleute und Gewerkschaften.

„Das ist ein glatter Bruch der Ampel-Versprechen.“ (Andreas Keller)

„Das ist ein glatter Bruch der Ampel-Versprechen“, sagt GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller. In ihrem Koalitionsvertrag von 2021 hatten die Regierungsparteien eine Reform vereinbart, die verlässliche Arbeitsbedingungen schafft und Dauerstellen für Daueraufgaben ermöglicht – eine langjährige Forderung der GEW. „Der Regierungsentwurf ist von diesen Zielen weit entfernt“, urteilt Keller.

Nach dem Kabinettsbeschluss beginnt nun das parlamentarische Verfahren. Änderungen sind hier durchaus noch möglich – und aus Sicht der Fachleute auch erforderlich. „Ich hoffe sehr, dass die Fachpolitikerinnen und -politiker sich in die Debatten einbringen“, sagt die Soziologin Jun.Prof. Freya Gassmann. „Es ist dringend zu empfehlen, dass sich die Abgeordneten nochmal genau mit den zu erwartenden Wirkungen der Re-Novellierung auseinandersetzen.“

„Im neuen Gesetz kann ich keine wirklichen Bestrebungen erkennen, die Befristung zu verringern.“

Zwar enthält der Gesetzentwurf auch Verbesserungen. So werden für Doktoranden und Doktorandinnen sowie studentische Beschäftigte Mindestvertragslaufzeiten eingeführt, allerdings mit „wachsweichen Soll-Bestimmungen“, wie Keller kritisiert. Die grundsätzlichen Probleme aber bleiben ungelöst – der hohe Befristungsanteil und die unsicheren Karrierewege in der Wissenschaft. Bereits die WissZeitVG-Novellierung von 2016 änderte daran nichts. Gassmann, die 2020 für die Max-Traeger-Stiftung der GEW die Reform des WissZeitVG von 2016 evaluiert hatte, sagt: „Im neuen Gesetz kann ich keine wirklichen Bestrebungen erkennen, die Befristung zu verringern.“

Engpass an qualifiziertem Personal droht

Auch Anne Krüger und Roland Bloch, die zu Dauerstellenkonzepten an Universitäten forschen, äußern sich kritisch. „Die Novelle bietet keine wirkliche Perspektive für eine unbefristete Beschäftigung jenseits der Professur.“ Das Instrument der Anschlusszusage werde wirkungslos bleiben, da Promovierte weiterhin zu lange befristet beschäftigt werden dürfen. „Wenn es bei dem vom Kabinett verabschiedeten Entwurf bleibt, werden die Ampelfraktionen eine große Chance zur Reform des akademischen Beschäftigungs- und Karrieresystems vergeben“, so die beiden Forschenden. „Angesichts eines sich in vielen Fächern abzeichnenden Fachkräftemangels droht den Universitäten damit ein erheblicher Engpass an qualifiziertem Personal, der zu Lasten der Qualität der Leistungen in Forschung und Lehre gehen wird.“

Mathias Kuhnt vom Referat Hochschule und Forschung der GEW Sachsen und aktiv im Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss) teilt diese Bedenken. „Das nicht zuletzt auch von der GEW geforderte Instrument der Anschlusszusage wird in der Novelle zwar aufgegriffen, aber die dann implementierten Änderungen sind rein kosmetischer Natur und machen dadurch alles nur noch schlimmer: Die Zeit bedingungsloser Befristung nach der Promotion wird von sechs auf vier Jahre reduziert. Dies reicht jedoch nicht, um die Hochschulen zu bewegen, tatsächlich etwas an ihrer Personalpolitik zu ändern.“

Dauerstellen erhöhen Qualität der Lehre

Kuhnt hat gerade gemeinsam mit Kollegen eine Studie zu nachhaltigen Beschäftigungsstrukturen an den Hochschulen veröffentlicht. „Bisher standen zwei Argumente einer wirklichen Reform der Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft entgegen: Dauerstellen in der Wissenschaft verstopfen das System und kosten zu viel Geld“, erläutert der Soziologe. „Wir können zeigen, dass beides nicht zutrifft.“ Durch Dauerstellen würden sich nicht nur die Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Personals verbessern, sie hätten zudem positive Effekte für die Lehre, die Organisation der Hochschulen und die Quote erfolgreicher Promotionsabschlüsse. „Ich hoffe, dass die Parlamentarier insbesondere der FDP diese Argumente noch wahrnehmen.“

Gemeinsam mit weiteren Organisationen des „Bündnisses gegen Dauerbefristung in der Wissenschaft“ fordert die GEW eine Überarbeitung des vorliegenden Gesetzentwurfs. Eine Petition, die das Bündnis initiiert hat, unterzeichneten bereits – Stand Mitte April – über 60.000 Menschen.