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US-Lehrergewerkschaft gegen rassistische Gewalt

Als Antwort auf die Zunahme rassistisch motivierter Gewalt vor allem gegenüber schwarzen Jugendlichen hat die ‚American Federation of Teachers‘ (AFT) Anfang Oktober in New Orleans eine große Menschenrechtskonferenz organisiert.

Fotos: Nijme Rinaldi Nun/ AFT

AktivistInnen der amerikanische Bildungsgewerkschaft AFT und verschiedener US-Menschenrechtsorganisationen kamen vom 2. bis 4. Oktober 2015 in New Orleans zusammen, um gemeinsam über Aktionen zu Rassengerechtigkeit, Bildungsgerechtigkeit, ökonomische Gerechtigkeit, Mindestlohn und eine Reform des US-Einwanderungsgesetzes zu beraten. Fast 700 Personen und fünfzehn Organisationen waren dem Aufruf der AFT "Advancing Racial Justice - Communities and Labor Organizing Together” gefolgt, darunter ‘Black Lives Matter’, ‘Alliance for Educational Justice’, ‘National Immigration Law Center’, ‘United We Dream’, ‘The Center for Popular Democracy’, ‘Journey for Justice Alliance’, ‘Alliance for Quality Education’, ‘Black Youth Project 100’ und ‘Fight for $15’. Auch internationale Gäste von sechs ausländischen Gewerkschaften waren anwesend. Die GEW war vertreten durch Monika Gessat, Leitungsteammitglied des Bundesausschuss Migration, Diversity, Antidiskriminierung (BAMA).  

Leben in Würde

Der Konferenzauftakt fand auf der Straße statt: Für die Mindestlohnforderung marschierten ArbeitnehmerInnen von Fast-Food Restaurants und KonferenzteilnehmerInnen auf der Canal Street zu McDonalds und riefen: "Was fordern wir? 15 Dollar! Wann? Sofort!", kräftig unterstützt von einer New Orleans Brass Band. Randi Weingarten, Vorsitzende der AFT, betonte bei der Schlusskundgebung vor dem Rathaus von New Orleans: "Beim Mindestlohn geht es nicht nur um Geld. Es geht um ein Leben in Würde! Und es geht auch nicht nur um die Beschäftigten in Fast-Food-Restaurants, sondern auch um schlecht bezahlte Honorarkräfte und Lehrer im Bildungsbereich, die oft mehrere Jobs annehmen müssen, um ihr Leben irgendwie zu meistern, weil der Lohn nicht dem Wert ihrer Arbeit Rechnung trägt. Und weil vor allem die Angehörigen der Minderheiten in Armut leben, besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Kampf um ökonomische Gerechtigkeit und den Menschenrechten, den Bürgerrechten und der Gleichberechtigung."

Täglicher Rassismus in den USA

Ziel der Konferenz war, Schnittmengen zwischen der Gewerkschaftsbewegung und den Aktivistengruppen zu finden, um gemeinsam für "Rassengerechtigkeit" (racial justice) zu kämpfen. In ihrer Eröffnungsrede begründete Randi Weingarten das Thema der Konferenz: "Dreißig Prozent der Bevölkerung der USA sind farbig, aber in den Gefängnissen beträgt ihr Anteil sechzig Prozent. Haushalte von Afroamerikanern haben weniger als zehn Prozent des Vermögens weißer Haushalte. ... Stellt euch vor, was es bedeutet, beim Einkaufen von Sicherheitskräften oder misstrauischen Angestellten beobachtet zu werden. Stellt euch vor, wie ihr euch fühlt, wenn unterstellt wird, dass ihr nicht wegen eurer Leistung das College besucht oder einen Job bekommen habt, sondern wegen der Quote. Stellt euch vor, ins Gefängnis zu kommen, weil ihr den Blinker beim Abbiegen nicht gesetzt habt. Rassismus ist Alltag für schwarze und braune Einwohner der USA" ... "Weiße Amerikaner spazieren auf der Straße und denken nicht über ihre Hautfarbe nach. Schwarze und braune Amerikaner haben dagegen keine Wahl, tagtäglich an ihre Hautfarbe und Herkunft zu denken. ... Gesetzesänderungen sind das eine, wir aber müssen weiter gehen, wir müssen die Herzen und die Gedanken  verändern. ... Wir müssen mehr tun. Wir müssen eine Bewegung bilden die vorangeht. AFT wird Teil dieser Bewegung sein."  

Aufmerksames Interesse an Zuwanderung von Flüchtlingen in Europa

Die Bandbreite der Themen der Konferenz und der mitwirkenden Organisationen spiegelte sich in der Vielfalt des Workshopangebotes: Legalisierung der Menschen ohne Aufenthaltsrecht sowie deren Schutz vor Inhaftierung und Abschiebung, relativ höhere Einstellungsraten für farbige Lehrkräfte, Hintergründe und Geschichte der Vorherrschaft der Weißen, Sicherung eines öffentlichen und privaten Schulsystems entsprechend der Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen, Ablehnung von Testergebnissen als Kriterium für Qualität der Schule, keine Privatisierung von Schulen, Zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche, Mindestlohn und Arbeitsschutz, u.v.m. In dem von mir besuchten Workshop über die Einwanderungsgesetze bestand großes Interesse an der Zuwanderung durch Flüchtlinge in Europa. Die Haltung Deutschlands gegenüber den Flüchtlingen wurde sehr positiv kommentiert, unsere Willkommensbewegung als beispielhaft gelobt. Meine Gesprächspartner waren gut informiert, es wurde detailliert nachgefragt und aufmerksam zugehört. Verschiedenheit (Diversity) nicht als Last zu sehen, sondern als Chance zu nutzen, darüber bestand schnell Einigkeit.

Konkrete Maßnahmen gegen Diskriminierung

In einer Podiumsdiskussion mit Randi Weingarten stand die sogenannte  ‚school-to-prison pipeline‘ im Fokus. Der Ausdruck benennt den Weg von farbigen Jugendlichen, die auf Grund von Fehlverhalten von der Schule verwiesen werden - aus einem für sie sicheren und beschützenden Raum - und die dann auf der Straße herumlungern, damit anfälliger für kriminelle Einflüsse werden und übereifrigen Polizeiaktivitäten ausgesetzt sind. AFT hat kürzlich eine Arbeitsgruppe zu "Rassengerechtigkeit" (racial justice) eingerichtet, die konkrete Schritte auf lokaler Ebene gegen Diskriminierung verfolgen wird. Die lokalen Verantwortlichen der Gewerkschaft wollen Rassengerechtigkeit in Schulen thematisieren.  Zum Abschluss der Konferenz wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch kämpferische Berichte über erfolgreiche Aktionen regionaler AFT-Gruppen und mit Sprechchören wie "We will win!" und "What are we going to do to make the people rise? Educate! Agitate! Organize!" kräftig motiviert, in den Betrieben und Schulen für Menschenrechte und gegen Rassendiskriminierung einzutreten.  Ein sehr emotionaler und auch sehr amerikanischer Moment - für eine deutsche Gewerkschafterin ungewohnt.