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Deutsche Auslandsschularbeit

Unterrichten in Krisen- und Konfliktländern

Welche Auswirkungen haben Krisen und Konflikte auf die Arbeit Deutscher Auslandsschulen und den Lebensalltag von Lehrkräften und Schüler*innen? Darüber diskutierten Rückkehrer*innen und Fachleute der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik auf Einladung der GEW.

 

Akteure im Auslandsschulwesen
Vom 14. bis 17. November 2018 fand in der Heimvolkshochschule Mariaspring zum 22. Mal eine GEW-Fachtagung zum Auslandsschulwesen statt. Auf dem Podium der Auftaktveranstaltung diskutierten zum Tagungsthema ‚Auslandsschularbeit in Krisen- und Konfliktregionen‘ vor etwa vierzig aus ganz Deutschland angereisten Teilnehmer/innen Dorothée Bauni, Vertreterin des Bund-Länder-Ausschusses für das Auslandsschulwesen (BLAschA), Peter Dicke, stellvertretender Leiter der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), Guido Kemmerling, Referatsleiter für Auslandsschulen im Auswärtigen Amt (AA), Thilo Klingebiel, Geschäftsführer des Weltverbandes Deutscher Auslandsschulen (WDA) und die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Die Moderation lag in der Hand von Günther Fecht, Vorsitzender der GEW-Arbeitsgruppe Auslandslehrer/innen (AGAL)

Erziehung zu kritischem Denken
Die Doppelfrage, was im Ausland unter Krisen- und Konfliktregionen zu verstehen und wie in und mit  ihnen umzugehen sei, wurde mit dem Eröffnungsgespräch aufgenommen und bis zum Tagungsende in vielfältiger Weise bearbeitet und beantwortet. So kamen Auslandslehrkräfte in eigenen Beiträgen zu Wort, in denen sie ihre Erfahrungen mit Krisen und Konflikten u.a. in Ägypten, Georgien, Irak, Peru, Südafrika, Uruguay und Usbekistan darstellten. Als Bezugspunkt wurde dabei immer wieder die Äußerung des Bundesaußenministers Heiko Maas gewählt, der in seiner Eröffnungsrede des fünften Weltkongresses Deutscher Auslandsschulen im Juni 2018 in Berlin alle am Auslandsschulwesen Beteiligten aufgefordert hat, in Krisenzeiten und Konfliktregionen Farbe zu bekennen für demokratische Errungenschaften wie kritisches, aufgeklärtes, selbstbewusstes Denken und Handeln.

Deutsche Auslandsschulen sind keine Inseln
Wie weit kann und soll diese wohlfeile Äußerung eines Politikers im Rahmen einer Festtagsrede Richtschnur für das alltägliche Denken und Handeln von Schülerschaft und Lehrkräften z.B. in Deutschen Schulen in der Türkei, Ägyptens, Russland usw. sein oder werden, wenn man sich in die Lage und Perspektive der vor Ort handelnden Lehrkräfte und anderer Akteure im Auslandsschulwesen versetzt? Dazu gab es ein vielstimmiges, lebendiges und widersprüchliches Konzert von Antworten, denen in Arbeitsgruppen, im persönlichen Gespräch oder auch in den Debatten des Plenums thematisch differenziert nachgegangen wurde.

Stummer Schülerprotest am Istanbul Lisesi
Volker Schult, ehemaliger Leiter der deutschen Abteilung des Istanbul Lisesi, berichtete davon, wie der deutsche Generalkonsul in Istanbul seitens der türkischen Behörden kurzfristig Redeverbot für die Abiturfeier im Istanbul Lisesi erhielt, einem Elite-Gymnasium mit langer deutsch-türkischer Bildungstradition. Ein alle Anwesenden überraschender, wortloser Schüler/innenprotest auf der Abitur-Zeugnisvergabefeier folgte. Als der von der AKP-Regierung neu eingesetzte Schulleiter zur Zeugnisausgabe kommen wollte,  drehten sich (bis auf  wenige Ausnahmen) die 180 Abiturient/innen um, blieben stumm an ihren Plätzen stehen und holten sich später ihre Zeugnisse im Sekretariat der Schule ab. Sechzig Prozent dieses Jahrgangs haben bald darauf  Studienplätze außerhalb der Türkei in Deutschland, den Niederlanden und den USA gewählt.

Was bleibt von der Tagung?
Es bleibt u.a. die schon länger gestellte Frage, ob das Auslandsschulwesen im Schnittfeld von divergierenden Interessen im Bund und in den deutschen Bundesländern nach fünfzig Jahren noch gut aufgehoben ist unter dem Dach der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, wenn man bedenkt, dass Bund und Länder über fünf lange Jahre in einer einzigen, dabei für die Lehrkräfte elementaren Frage der materiellen Versorgung, nämlich der Regelung des Versorgungszuschlages zur Alterssicherung, sich nicht einigen konnten. Positiv gewendet und als Frage formuliert: Ist es nicht überfällig, anlässlich einer anstehenden Novellierung des seit 2013 erstmalig verabschiedeten Auslandsschulgesetzes zu einer Strukturreform zu kommen, die die ZfA in ein Auswärtiges Schulamt überführt, in dem integral die Interessen von Bund und Ländern nach sozialstaatlichen Grundsätzen organisiert werden? Gewiss ist, dass die freundliche Atmosphäre der HVHS Mariaspring, die vorzügliche Versorgung des Hauses, seine ruhige und ländliche Lage nahe Göttingen alle Teilnehmer*innen zu weitergehender und keineswegs nur beruhigender Beschäftigung mit dem Themenfeld angespornt hat.