Kommentar
Unsere Demokratie verteidigen
Der Gefahr, die von Demokratiefeinden ausgeht, müssen wir uns mit Engagement für demokratische und politische Bildung von Anfang an entgegenstellen. Notwendig ist es auch, sich für die Grundwerte dieser Gesellschaft stark zu machen.
Nach dem dreieinhalbwöchigen Lockdown blicken wir angespannt auf das neue Jahr. Wie wird sich die Pandemie weiter entwickeln? Wird es genügend Impfstoff geben? Werden die Menschen bereit sein, weiterhin die AHA-Regeln plus Lüften einzuhalten, um das Ansteckungsrisiko zu verringern? Wie entwickelt sich die Bereitschaft, sich impfen zu lassen? Was ist mit den wirtschaftlichen Folgen? Können Insolvenzen und Arbeitslosigkeit weiter abgepuffert werden? Wann kehrt ein Alltag zurück, in dem wir wieder Familie und Freund*innen begegnen, anderen nahe sein können?
Ein Jahr steht bevor, das viele Unsicherheiten mit sich bringt, die Angst um die eigene Gesundheit und die der Familie, die Angst um die berufliche, finanzielle Sicherheit. In dieser weltweiten Krise kommt es darauf an, dass wir uns durch unser Verhalten gegenseitig schützen.
Zu solchen Krisen gehört aber leider auch, dass sich die Menschen auf die Suche nach Sündenböcken machen und Verschwörungserzählungen verbreitet werden. Das ist auch jetzt der Fall.
Drei Aussagen allerdings schrecken mich auf,
Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2020 belegt, dass 94 Prozent der Deutschen Demokratie für das politische System halten, das am besten zur Gesellschaft passt. Zufrieden mit der Demokratie, wie in der Verfassung festgelegt, sind 78 Prozent, Vertrauen in den Bundestag haben 64 Prozent, das Vertrauen in die politischen Parteien liegt aber nur bei 36 Prozent. In einem Wahljahr ist das eine Erkenntnis, die besorgt macht, denn die Parteien stellen ja das Personal, das die Entscheidungen in unserer Demokratie herbeiführt.
Die Studie hat auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt untersucht. 97 Prozent der Menschen stimmen zu, wenn es um Solidarität geht: „Ich bin immer bereit, wenn jemand gebraucht wird.“ Der Aussage „Solange die Freiheit anderer nicht verletzt wird, kann jeder so leben, wie er will“, also der Frage nach Toleranz und Respekt, stimmen 87 Prozent zu.
Drei Aussagen allerdings schrecken mich auf: Nur 54 Prozent (Ost 41, West 57) finden die Aussage richtig: „Den meisten Menschen kann man vertrauen.“ 48 Prozent denken: „Wer schon immer hier lebt, sollte mehr Rechte haben als die, die später zugezogen sind“ (Ost 56, West 46), und 14 Prozent (Ost 22, West 12) stimmen der Ungleichheit von Menschen zu („Einige Gruppen sind einfach weniger wert als andere“). Diese Aussage drückt sich in der Realität beispielsweise in Muslimfeindlichkeit, Antiziganismus und Antisemitismus aus.
Der Gefahr, die von Demokratiefeinden ausgeht, müssen wir uns mit Engagement für demokratische und politische Bildung von Anfang an entgegenstellen.
Wir erleben, dass der noch amtierende US-Präsident Donald Trump seine Wahlniederlage nicht akzeptiert und gegen die Wahlverfahren und Auszählungen vielfach geklagt hat. Ich bin sehr froh, dass die Gerichte die Verfahren jeweils gründlich untersucht haben und der Supreme Court dem Druck Trumps standgehalten hat. Ich hoffe, dass auch unsere demokratischen Verfahren standfest sind, wenn sie weiter unter Druck geraten. Es ist gut, dass unsere Demokratie aus Legislative, Exekutive und Judikative gestaltet und von der Meinungsfreiheit der Presse begleitet wird. Auch das föderale System ist eine Sicherung.
Gleiches gilt für das Grundgesetz. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben nach den Erfahrungen mit der Weimarer Verfassung, die es ermöglichte, dass die Grundrechte per Dekret außer Kraft gesetzt werden konnten, ganz bewusst der einseitigen Machtzuordnung an die Exekutive einen Riegel vorgeschoben. Nun darf das Infektionsschutzgesetz nicht zu einer einseitigen Machtzuordnung an die Exekutive werden.
Der Gefahr, die von Demokratiefeinden ausgeht, müssen wir uns mit Engagement für demokratische und politische Bildung von Anfang an entgegenstellen; Hate Speech und Fake News müssen wir entgegentreten. Und ganz besonders wichtig und notwendig ist es, sich für die Grundwerte dieser Gesellschaft stark zu machen.