Der „Digitalpakt Schule“ sollte mal ein Symbol für den Aufbruch werden. Im Oktober 2016 war das, als die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) per Zeitungsinterview fünf Bundesmilliarden ankündigte – für eine vernünftige Computerinfrastruktur und ein brauchbar flottes WLAN. Auch einen schicken Namen hatte sich Wankas Ministerium ausgedacht: „Digitalpakt#D“.
Zwei Jahre später ist der Digitalpakt vor allem ein Symbol für unendliches Gezerre zwischen Bund und Ländern. Kein Euro ist bislang geflossen. Es gibt keine ausverhandelte Vertragsgrundlage. Und selbst wenn die da wäre: Die Politik verstrickt sich in einen Konflikt um eine Verfassungsänderung. Bei der sich alle Beteiligten nicht einmal einig sind, ob man sie überhaupt braucht.
Der Reihe nach. Im Oktober 2016 frohlockte Wanka über den Trick, den ihre Beamten sich ausgedacht hatten: Der Artikel 91c des Grundgesetzes erlaube die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Informationstechnik. Auf den wollte sich ihr Ministerium (BMBF) berufen, um das Kooperationsverbot zu umgehen. Es könne sofort verhandelt werden, teilte das BMBF mit, eine Grundgesetzänderung sei nicht nötig. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) sprach von einer „wackligen Brücke“, von der kein Land Wanka herunterschubsen werde.
In Rekordzeit lag eine Eckpunktevereinbarung vor, doch ab Juni 2017 ging plötzlich nichts mehr. Wanka lehnte es ab, das Dokument zu unterzeichnen, sie fühlte sich von den Kultusministern brüskiert und die von ihr. Kurz vor der Bundestagswahl kam es nochmal zu Annäherungen, doch scheiterte die Sache vor allem an einer basalen Tatsache. Es war noch kein Geld da.
In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD stand das Projekt kurzfristig ganz auf der Kippe, dann kam die große Erleichterung: Man werde die Milliarden aus der geplanten Versteigerung von Mobilfunklizenzen nehmen. Allerdings baute die Große Koalition (GroKo) noch einen Passus in ihren Vertrag ein. Das Geld für Digitalisierung, Ganztag und berufliche Schulen gibt es erst, wenn die Verfassung geändert ist. Ein strategischer Fehler.
Plötzlich ist der Digitalpakt Geisel – Ausgang ungewiss.
Denn seitdem gehen Teile der Union und der Grünen auf die Barrikaden, allen voran Baden-Württembergs grün-schwarze Landesregierung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht einen „Frontalangriff auf die föderale Struktur“, und seine CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann kann nicht nachvollziehen, warum plötzlich doch für den Digitalpakt eine Verfassungsänderung nötig sein soll, welche die Kultushoheit der Länder einschränkt.
Bislang stand Baden-Württemberg allein gegen die anderen 15 Länder, deren oberste Priorität lautet, alsbald an das Digi-Geld zu kommen. Das muss aber nicht so bleiben; das Projekt wird jetzt auch von anderer Seite in die Zange genommen, nämlich von den Bundesgrünen und der FDP. Die fordern, das Kooperationsverbot viel grundsätzlicher zu lockern, als die GroKo das vorhat. Es scheint dies der Preis zu sein, den sie für ihre Zustimmung zur Verfassungsänderung wollen, denn die GroKo hat keine Zwei-Drittel-Mehrheit. Plötzlich ist der Digitalpakt Geisel – Ausgang ungewiss.
Derweil spricht Wankas Nachfolgerin Anja Karliczek (CDU) immer noch tapfer davon, Anfang 2019 das erste Geld auszahlen zu wollen. Was gegenüber den ursprünglichen Planungen einen enormen Zeitverzug bedeutet, aber trotzdem jeden Tag unrealistischer wird. Denn auch die nötige Verwaltungsvereinbarung, in der alle Bedingungen und Förderdetails stehen sollen, liegt lediglich bis vor kurzem in einem ersten, umstrittenen Entwurf vor. Die Länder kritisieren, einen für Mitte September angesetzten Verhandlungstermin habe Karliczeks Ministerium abgesagt, weil sich ihr neuer Staatssekretär erst einarbeiten müsse. Was das BMBF so wiederum bestreitet.
Längst geht es beim Digitalpakt nicht mehr nur darum, die Schulen in das 21. Jahrhundert zu befördern. Sondern auch um den Beweis, dass die Bildungsrepublik Deutschland handlungsfähig ist. Bisher sind Bund und Länder diesen schuldig geblieben.