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Traumapädagogische Konzepte gefragt

Traumatisierte Kinder zu unterrichten, ist eine große Herausforderung. Ihre Verhaltensweisen werden oft nicht verstanden und falsch interpretiert. An den Schulen sind Hintergrundwissen und traumapädagogische Konzepte gefragt.

„Etwa ein Drittel unserer Schülerinnen und Schüler ist traumatisiert“, sagt Jürgen Peters, Schulleiter an der Astrid-Lindgren-Schule Schule im niedersächsischen Bohmte. Das bedeutet, sie haben extreme Gewalt oder sexuellen Missbrauch erlebt, sind stark vernachlässigt oder verwahrlost aufgewachsen. Viele der 125 Mädchen und Jungen leben in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe oder in Pflegefamilien. Schulleiter und Kollegium sind auf die Beschulung, aber auch auf die traumapädagogische Betreuung dieser Kinder und Jugendlichen eingestellt. „Bei uns müssen sich die Kinder nicht in die Struktur einfügen, sondern wir bauen eine Struktur um sie herum auf.“

Viele Kinder, die komplexe, das heißt wiederkehrende traumatisierende Situationen erlebt haben, entwickeln eine Traumafolgestörung. „Die Kinder fokussieren sich vollständig auf das Überleben im Hier und Jetzt“, sagt Gerald Möhrlein, Traumapädagoge und Dozent an der Universität Würzburg. „Deshalb fällt es ihnen schwer, sich zu konzentrieren, schulische Aufgaben zu erledigen oder sich gar für langfristige abstrakte Bildungsziele zu motivieren.“ Immer wieder durchleben sie mit dem Trauma verbundene Träume, Gefühle oder Körperempfindungen, sogenannte Flashbacks.

Ein solches Verhalten von Kindern bringt Lehrkräfte, aber auch Klassenverbände an ihre Grenzen. Doch auch für diese jungen Menschen hätten Schulen einen Bildungsauftrag, betont Möhrlein. „Schule darf Traumatisierungen und deren Folgen nicht in die therapeutische Schublade legen, sondern muss sich um pädagogische Antworten und Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit diesen Kindern und Jugendlichen bemühen.“

Traumatisierte Kinder sind zudem keineswegs nur an Förderschulen zu finden. Laut einer nicht-repräsentativen Untersuchung des Traumapädagogen David Zimmermann von der Universität Hannover waren 92 Prozent der befragten Lehrkräfte unterschiedlicher Schularten bereits mit traumatisierten Mädchen und Jungen konfrontiert. „Das zeigt deutlich: Die Traumatisierung von Kindern ist kein Randphänomen“, sagt Pädagoge Möhrlein.

Wie Traumapädagogik an der Astrid-Lindgren-Schule in Bohmte funktioniert, ist in der Reportage von Michaela Ludwig in der Maiausgabe der "E&W" zu lesen.