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Transatlantischer Freihandel geplant

Trotz des Skandals um die Aktivitäten des US-Geheimdiensts NSA treffen sich in dieser Woche Unterhändler der USA und der Europäischen Union zur zweiten Runde der Verhandlungen über ein US-EU-Freihandelsabkommen TTIP. Die Informationen, die dazu an die Öffentlichkeit dringen, sind beunruhigend.

Fotos: Manfred Brinkmann, EU-Kommission

Bis Ende 2015 wollen die beiden weltweit größten Wirtschaftsblöcke EU und USA, die gemeinsam fast die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften, Verhandlungen über ein bilaterales Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership - TTIP) abgeschlossen haben. Die Befürworter des Abkommens versprechen sich davon wirtschaftliche Wachstumsimpulse und neue Arbeitsplätze in Europa und in den USA. Die Verhandlungen haben im Juli in Washington begonnen und finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Liberalisierung von Dienstleistungen

Trotz der Geheimhaltung sickern aber immer wieder Informationen durch oder werden geleakt, wie etwa der Bericht der EU-Kommission zur ersten Verhandlungsrunde. Dabei ist klar, dass Zölle, die zwischen der EU und den USA heute schon niedrig sind, in den Verhandlungen kaum noch eine Rolle spielen werden. Im Mittelpunkt stehen die sogenannten ‚nichttarifären Handelshemmnisse‘. Gemeint sind sozial- und umweltpolitische Vorschriften oder solche zum Gesundheits- und Verbraucherschutz, die den freien Handel von Waren und Dienstleistungen behindern könnten. Hierbei geht es nicht nur um mit Chlor behandelte Hühnchen, die die US-Agrarindustrie bisher nicht nach Europa exportieren darf. Das Freihandelsabkommen hat zum Ziel, möglichst alle Dienstleistungen einschließlich des öffentlichen Beschaffungswesens zu liberalisieren. Zudem soll es multinationalen Konzernen Investitionsschutz garantieren, indem es ihnen ermöglicht, Staaten auf Schadensersatz zu verklagen, wenn Unternehmen ihre Investitionen oder Profite durch Regierungshandeln gefährdet sehen.

Kommerzielle Bildungsanbieter machen Lobby

In den bisher bereits existierenden Freihandelsabkommen ist Bildung überwiegend ausgeklammert, da berechtigte Befürchtungen bestehen, dass eine Liberalisierung staatliche Handlungsmöglichkeiten in der Bildungspolitik beschränken könnte. Doch kommerzielle Bildungsanbieter im Verein mit einzelnen Regierungen machen nun massiv Lobby, Bildung in die TTIP-Verhandlungen aufzunehmen. Falls dies geschieht, könnten z.B. US-Unternehmen darauf bestehen, in Zukunft wie inländische Bildungseinrichtungen öffentlich gefördert zu werden. Die GEW und die übrigen DGB-Gewerkschaften beobachten die TTIP-Verhandlungen daher aufmerksam und mit großen Vorbehalten. Schon im Frühjahr 2013 hatte der DGB in einer Stellungnahme zum TTIP die mangelnde Transparenz der Verhandlungen kritisiert und eine umfassende demokratische Beteiligung der Parlamente und der Zivilgesellschaft gefordert. Ein Abkommen müsse verbindliche Regelungen zum Schutz von Arbeitnehmerrechten sowie von Sozial- und Umweltstandards beinhalten und dürfe nicht zu einer Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen führen.

Widerstand gegen TTIP formiert sich

Genau das befürchtet aber der Nürnberger Oberbürgermeister und Städtetagspräsident Ulrich Maly und mahnt zur Wachsamkeit: „Die neue Liberalisierungswelle ist deshalb so gefährlich, weil sie mit transatlantischer Wucht kommt“. Davon betroffen sei nicht nur die Trinkwasserversorgung, „sondern auch Abwasser- und Müllentsorgung, Verkehr, kommunale Gesundheitsleistungen, Bildungsangebote und anderes mehr.“ Auch Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sind alarmiert. In Deutschland hat sich ein breites Bündnis von Attac und BUND über Forum Umwelt und Entwicklung, Katholische Landjugendbewegung und NABU bis zur Zukunftsstiftung Landwirtschaft gebildet, das die Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Jahr nutzen will, um über TTIP aufzuklären und dagegen zu mobilisieren. EU und USA hingegen drücken aufs Tempo: Mitte Dezember 2013 soll bereits die nächste Verhandlungsrunde in Washington stattfinden. Ob das Freihandelsabkommen am Ende wirklich kommt und was es dann beinhalten wird, ist offen. Nach Abschluss der Verhandlungen bedarf es in jedem Fall der Zustimmung des Europäischen Parlaments wie auch aller nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten und der USA.