14 junge Menschen bewegen sich mit geschlossenen Augen auf ihren Stühlen hin und her, drehen langsam die Köpfe nach rechts und links, fahren sich durchs Haar. Dozentin Gudrun Herrbold moderiert die nächsten Schritte an: „Wenn ihr die Augen öffnet, seid ihr an dem Ort, an dem eure Szene spielt. Wenn ihr die Augen öffnet, seht ihr durch die Augen eurer Figur.“ Was wie eine Anleitung im Meditationsseminar klingt, ist das Aufwärmen im Kurs Schauspielgrundlagen an der Universität der Künste (UdK) Berlin. Anschließend geht es an die Improvisation von Szenen, etwa aus Anton Tschechows „Der Heiratsantrag“ oder Tennessee Williams‘ „Endstation Sehnsucht“. Die Studierenden wollen später jedoch nicht selbst auf der Bühne stehen, sondern unterrichten. Seit Herbst 2018 ist es möglich, an der UdK Lehramt Theater für Integrierte Sekundarschulen und Gymnasien zu studieren. Einen ähnlichen Studiengang bietet nur die Hochschule für Bildende Künste (HBK) in Braunschweig an.
„Das Fach wird in vielen Bundesländern seit Jahren unterrichtet, an Berliner Gymnasien seit 1984, aber die Lehrkräfte wurden nicht speziell dafür ausgebildet“, sagt Studiengangleiterin Ulrike Hentschel. „Es ist aber wichtig, dass künstlerische Fächer von qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden.“ Oft ist es noch immer die Deutsch- oder Literaturlehrkraft, die sich für das Fach Theater quasi nebenbei weiterbildet – oder es ohne Fortbildung unterrichtet.
An der UdK umfasst das Studium die Bereiche Fachpraxis – etwa Schauspielgrundlagen, Sprecherziehung, Körper und Bewegung –, Fachwissenschaft – wie Theatertheorie und -geschichte – und Fachdidaktik. Das Studienziel ist nach einem sechssemestrigen Bachelor- und einem viersemestrigen Masterstudium erreicht. Letzteres wird ab dem Wintersemester 2021/22 angeboten und beinhaltet auch ein Praxissemester.
„Schülerinnen und Schüler lernen, so etwas wie eine künstlerische Sprache zu sprechen“ (Ulrike Hentschel)
Mit dem neuen Studiengang einher geht auch eine größere Wertschätzung für Theater an Schulen – und was es dort erreichen kann. „Es ist kein Fach, das man aus dem Schulbuch am Tisch sitzend unterrichtet“, sagt Hentschel. Im Theater steckten Bewegung und Interaktion, „Schülerinnen und Schüler lernen, so etwas wie eine künstlerische Sprache zu sprechen“, betont die Studiengangleiterin. Das ermögliche ihnen, mehr und anders an Kunst und Kultur sowie deren Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen teilzunehmen. Interesse am kulturellen Geschehen ist ein Aspekt, der übrigens schon bei der Zulassungsprüfung an der UdK abgefragt wird.
Dozentin Herrbold sieht durch professionell ausgebildete Theaterlehrkräfte ganz andere Möglichkeiten des Unterrichtens. „Weniger textlastig zum Beispiel“, sagt sie. Statt einfach nur ein Stück auswendig zu lernen und es in seiner Originalversion aufzuführen, sollen ihre Studierenden neue Spielformen kennenlernen und „ihren Horizont erweitern, was Theater alles sein kann“. Daher fordert sie auch, den Studiengang Lehramt Theater flächendeckend anzubieten.
„Theaterunterricht in der Schule hat mir persönlich mehr gebracht als jedes andere Fach“, sagt Erstsemester Georg Frietzsche. „Ich habe viel fürs Leben gelernt“, ergänzt seine Kommilitonin Lina Görlitz – zum Beispiel aus sich herauszugehen, im Team zu agieren, Wissen zu verbinden. Hauptberuflich auf der Bühne stehen will Görlitz aber nicht, das Unterrichten ist für sie der ideale Weg, „anderen weiterzugeben, was mir am Theater so Spaß macht“.
Weiterbildung: Lehrkräften, die sich für das Fach Theater weiterbilden wollen, bietet der Bundesverband Theater in Schulen Informationen zu Fortbildungen und Workshops, außerdem Konzepte für Unterricht und Theaterprojekte sowie didaktische Materialien an. |