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GEW und ver.di ziehen Reißleine

Tarifverhandlungen mit dem Internationalen Bund abgebrochen!

Nach vier Verhandlungsrunden hat die Tarifkommission in der Nacht vom 19. auf den 20. Februar die Verhandlungen mit dem Internationalen Bund (IB) abgebrochen. Das Angebot vom IB ist zu weit weg von den Forderungen der Gewerkschaften.

Kollegen aus Freiburg setzen sich für eine bessere Bezahlung bei dem Internationalen Bund e.V. ein.

Die Tarifverhandlungen zwischen GEW, ver.di und der Internationalen Bund (IB) Gruppe am 19. Februar 2020 in Weimar wurden in der Nacht auf den 20. Februar vorerst abgebrochen. Am Ende eines knapp 18-stündigen Verhandlungsmarathons legten die Arbeitgeber zu später Stunde ein Angebot vor, das keines war.

Zwar sah das Angebot eine zuvor von Tarifkommissionsseite geforderte zusätzliche Entgeltstufe fünf für die Beschäftigten aus dem Bereich der Arbeitsmarktdienstleistungen (AMDL) vor. Dafür sollte jedoch anstatt einer Gehaltserhöhung das Erreichen der jetzt schon tarifvertraglich festgelegten höchsten Stufe (die jetzige Stufe vier) hinausgezögert werden, indem eine weitere Zwischenstufe zu durchlaufen wäre. Die neue Stufe fünf sollte der ursprünglichen Stufe vier entsprechen. Die Stufe vier wäre zu einer Zwischenstufe geworden.

Oliver Brüchert, hauptamtlicher Vertreter der GEW in der Tarifkommission, findet für dieses Vorgehen deutliche Worte:

„Durch diesen Taschenspielertrick wurde statt einer Verbesserung eine Verschlechterung angeboten. Für die Tarifkommission war das nach all den Kompromissen, die sie zuvor einzugehen bereit war, ein Affront, der nicht hinnehmbar war.“ (Oliver Brüchert)

So hatte die Tarifkommission von Anfang an deutlich gemacht, dass auch die Beschäftigten aus dem AMDL-Bereich an einer tariflichen Einigung beteiligt werden müssen. Daher wurde von ihrer Seite eine zusätzliche fünfte Stufe für diese Beschäftigten überhaupt erst ins Gespräch gebracht.

Arbeitgeber bleiben einigungsfähiges Angebot schuldig

Die Geschehnisse in Weimar standen vor dem Hintergrund von sowieso ernüchternden Angeboten der Arbeitgeberseite – bereits zu Beginn der Verhandlungen in Rödermark im November und auch in den weiteren Runden in Kassel im Dezember und in Fulda Anfang Februar. Über eine extrem lange Laufzeit von vier Jahren sollten die Gehälter lediglich um 4,3 bis 8 Prozent für die einzelnen Organisationseinheiten (vgl. Tarifinfo aus 11/19) steigen. Für das Jahr 2020 sollte eine „Karenzzeit“ vorgesehen werden, um die Erhöhungen zuvor mit den Kostenträgern verhandeln zu können. Die erste Gehaltssteigerung sollte also erst zum 1. Januar 2021 erfolgen. Damit war man  von den Forderungen der Tarifkommission denkbar weit entfernt. Diese lauteten:

  1. Stufenplan zur Erreichung des Niveaus des TV-L. Das Niveau soll spätestens mit vier Erhöhungsschritten erreicht werden. Der erste Erhöhungsschritt soll bei 8 Prozent liegen. Die weiteren Schritte können unterschiedlich (zeitlich oder in der Höhe) in den Gesellschaften und dem e.V. geregelt werden.
  2. Anpassung der Stufen im AMDL-Bereich.
  3. Erhöhung der Basistabelle.
  4. Mitgliedervorteilsregelung 500 € pro Jahr oder drei Tage zusätzlich frei.

Eine stärkere Annäherung an das Niveau des öffentlichen Dienstes sei nach Aussage des Arbeitgebers nur für die besser refinanzierten Bereiche möglich. Ein neues „Strukturmodell“, das künftig 24 nach Sparten und Regionen differenzierte Gehaltstabellen bedeutet hätte, lehnten die Gewerkschaften ab (vgl. Tarifinfo aus 12/19). Sie waren nach langer Diskussion jedoch bereit, eine gesonderte Tabelle für den Sozial- und Erziehungsdienst zu vereinbaren. Hier ist der Nachholbedarf besonders groß. Die Gehälter liegen rund 20 Prozent unter dem Niveau des öffentlichen Dienstes. Der Arbeitgeber kann jedoch bei vielen Kostenträgern tarifliche Gehaltssteigerungen voll erstattet bekommen.

Die Bedingung dafür war, dass alle Beschäftigtengruppen mehr Geld erhalten und dass über die Laufzeit betrachtet eine Annäherung an die Bezahlung bei anderen Arbeitgebern oder im öffentlichen Dienst der Länder erfolgt.

Die Tarifkommission war zu einem Kompromiss bereit

Die Arbeitgeberseite blieb bei ihren Forderungen nach einer Nullrunde für das Jahr 2020 und der langen Laufzeit von vier Jahren. Neue Gehaltssteigerungen hätte es dann erst wieder frühestens im Januar 2024 geben können. Niemand kann jetzt voraussehen, wie sich die wirtschaftliche Lage des IB bis dahin entwickelt. Auch die angebotenen Gehaltssteigerungen verbesserten sich gegenüber dem ursprünglichen Angebot vom November 2019 nur minimal.

Um eine Einigung möglich zu machen, hat die gewerkschaftliche Tarifkommission vorgeschlagen, die Laufzeit auf drei Jahre inklusive der sogenannten Karenzzeit zu verkürzen bis zum 31. Dezember 2022. Die vom Arbeitgeber angebotenen Erhöhungsschritte sollten in dieser Zeit erfolgen. Gleichzeitig betonte sie, dass ein solcher Kompromiss eine Bewegung des Arbeitgebers zu den weiteren Forderungen der Gewerkschaften voraussetze. Wie bereits eingangs erwähnt, müssten insbesondere auch die Beschäftigten im AMDL-Bereich von dem Tarifabschluss profitieren, zum Beispiel in Form einer weiteren Gehaltsstufe. Hinsichtlich der Karenzzeit müsste eine Kompensation erfolgen, zum Beispiel in Form von freien Tagen und/oder einer Einmalzahlung. Außerdem soll es eine Vorteilsregelung für Gewerkschaftsmitglieder geben, die durch ihr Engagement und ihre Mitgliedsbeiträge Tarifverhandlungen ermöglichen. Denn ohne Gewerkschaften gibt es keine Tarifverträge.

Auf diesen Weg zur Kompromissfindung schien sich der Arbeitgeber zunächst einzulassen. Er war nach zähem Ringen bereit, die Laufzeit des Abschlusses bis 31. Dezember 2022 zu akzeptieren, allerdings mit einem im Vergleich zu vier Jahren verkleinerten Erhöhungsvolumen (für Einzelheiten vgl. Tarifinfo aus 2/20) und kündigte eine „Perspektive“ für die Beschäftigten im AMDL-Bereich an.

Der sich daraufhin anbahnende Kompromiss, für den die Tarifkommission mehrfach über ihren Schatten springen musste und weit auf den Arbeitgeber zugegangen war, wurde sodann gegen 3:30 Uhr nachts durch das zuvor beschriebene unglaubliche Manöver der Arbeitgeberseite mit der zusätzlichen fünften Stufe wieder torpediert.

Auch angesichts der fortgeschrittenen Stunde beschloss die Tarifkommission daraufhin, die Verhandlungen an dieser Stelle zunächst abzubrechen und mit den Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren, wie es weitergehen kann.

Die Tarifkommission wird im März auf dieser Grundlage über das weitere Vorgehen entscheiden.

1.000 Kollegen haben „Gesicht gezeigt“

Aktion "Wir zeigen Gesicht: 1.000 Gesichter! Eine Botschaft" (Foto: GEW/Ver.di)

Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse freut es die Tarifkommission sehr, von ihren Kollegen im Rahmen der Aktion „Wir zeigen Gesicht: 1.000 Gesichter! Eine Botschaft“ so zahlreich unterstützt worden zu sein. Als Auftakt der Verhandlungen am vergangenen Mittwoch, 19. Februar, in Weimar übergaben die Mitglieder der Tarifkommission der Arbeitgeberseite im Namen der Beschäftigten das Ergebnis dieser Aktion – ein Transparent der 1.000 Kolleg*innen, die mit ihrer Beteiligung ein Zeichen gesetzt haben!

Bei den bisherigen Verhandlungen ist deutlich geworden, dass ohne Druck aus den Betrieben und Einrichtungen nicht mit einem fairen Tarifabschluss seitens des Arbeitgebers zu rechnen ist. Daher gilt weiterhin:

Werdet Teil der Aktion „Wir zeigen Gesicht“: Gutes Personal gibt es nur mit guten Arbeitsbedingungen. Gemeinsam mit der Tarifkommission kämpfen wir deshalb für unsere Forderungen!