„Die ersten Verabredungen bleiben vage und dämpfen die Hoffnungen auf Fortschritte für die Wissenschaft – die ‚Sun of Jamaica‘ schimmert bisher nur trübe durch den wolkenverhangenen Himmel“, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Andreas Keller.
Presseberichten zufolge möchte die Jamaika-Koalition die Ausgaben für Bildung und Forschung auf über zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigern. Unklar bleibt indes, ob damit allein die staatlichen Ausgaben von Bund, Ländern und Kommunen gemeint sind oder auch private Bildungsausgaben mit gerechnet werden. Keine Vorstellung gibt es bisher darüber, wie das zusätzliche Geld in die öffentlichen Haushalte kommen soll, da gleichzeitig Steuerentlastungen in Aussicht gestellt werden. „Mit der Initiative ‚Bildung. Weiter denken!‘ macht sich die GEW für mehr Geld für Bildung stark. Insofern ist die Ankündigung ‚Zehn Prozent plus x‘ ein wichtiges Signal. Schwarz-Gelb-Grün muss aber auch Ross und Reiter benennen und beschreiben, wie und von wem das zusätzliche Geld aufgebracht werden soll“, mahnte Keller. Er erinnerte daran, dass Bund und Länder bereits mit ihrer Vereinbarung des Dresdener Bildungsgipfel 2008, zehn Prozent des BIP für Bildung und Forschung auszugeben, kläglich gescheitert sind. Dies hatte unlängst der Bildungsökonom Klaus Klemm im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) vorgerechnet.
Weiter planen Union, FDP und Grüne eine „Nachfolgevereinbarung zum Hochschulpakt“, bei dem es um Qualität, Kapazitätserhalt und Digitalisierung gehen soll; die Exzellenzstrategie solle fortgesetzt werden. Jamaika drohe die Fehler der Großen Koalition fortzusetzen, kritisierte GEW-Vize Keller. „Bund und Länder hatten schon unter der Großen Koalition schnell einen Haken an die Fortsetzung der Exzellenzinitiative als Exzellenzstrategie gemacht, die Zukunft des 2020 auslaufenden Hochschulpakts aber offen gelassen. Bevor Milliarden für die Spitzenforschung in trockene Tücher gelegt werden, sollten die Koalitionsparteien ein Konzept auf den Tisch legen, wie die künftige Finanzierung der Studienplätze gesichert wird. Dabei brauchen wir nicht nur den Erhalt der bisherigen Kapazitäten, sondern einen Ausbau der Hochschulen. Die Qualität von Studium und Lehre muss durch mehr Dauerstellen für Daueraufgaben verbessert werden“, mahnte Keller.
Es reiche daher nicht aus, weitere vier Jahre über die Frage des Kooperationsverbots zu sprechen, sondern dieses müsse endlich aus dem Grundgesetz gestrichen werden. „Es ist absurd: Bund und Länder dürfen in der Bildungsfinanzierung nicht zusammenarbeiten. Es ist höchste Zeit, dass das Kooperationsverbot in ein Kooperationsgebot umgewandelt wird. Die bereits bestehenden Handlungsspielräume des Grundgesetzes müssen umgehend genutzt werden: Der Bund sollte endlich die Länder bei der Grundfinanzierung unterstützen, statt immer mehr Geld in die Drittmittelforschung und Programmförderung zu pumpen“, sagte Keller.
Schließlich soll sich die Jamaika-Koalition auf eine „Modernisierung des BAföG“ verständigt haben. GEW-Hochschulexperte Keller forderte die Parteien auf, das BAföG nicht abzuwickeln, sondern weiterzuentwickeln: „Nur noch 15 Prozent aller Studierenden erhalten Leistungen nach dem BAföG. Die Fördersätze und Freibeträge müssen daher umgehend erhöht werden, und zwar um mindestens zehn Prozent. Weiter muss das BAföG endlich wieder zu einem Vollzuschuss werden und auch Schülerinnen und Schülern an allgemeinbildenden Schulen wieder zugutekommen. Die staatliche Ausbildungsförderung darf nicht schwächer, sondern muss stärker werden“, forderte Keller. Er bezog sich mit seiner Warnung darauf, dass sich Union, FDP und Grüne auch auf einen Ausbau der Stipendienprogramm und neue Modelle der Studienfinanzierung verständigen wollten.
Enttäuscht zeigte sich Keller darüber, dass die Jamaika-Koalition anders als die Vorgängerregierung offenbar noch keine Verabredungen zum Thema „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ getroffen hat. „Die Große Koalition aus Union und SPD hat immerhin den Weckruf der GEW-Initiative für den ‚Traumjob Wissenschaft‘ vernommen und mit der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und dem Tenure-Track-Programm erste Schritte in die richtige Richtung eingeleitet. Diesen Schritten müssen nun weitere folgen. Doch schon die Ankündigung von Noch-Bildungsministerin Johanna Wanka, ein Tenure-Track-Programm für die Fachhochschulen nachzulegen, droht nun zu versanden. Ganz zu schweigen von der dringend nötigen Entfristungsoffensive für den akademischen Mittelbau. Die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen und Reform der Karrierewege in der Wissenschaft darf nicht durch die Maschen des schwarz-gelb-grünen Netzes fallen – hier muss Jamaika dringend nacharbeiten“, so der GEW-Vize abschließend.