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Tarifrunde 2022: Sozial- und Erziehungsdienst Kommunen

Strukturell unterfinanziert

Eine gute frühkindliche Bildung ist nur mit einer qualitativ und quantitativ guten Personalausstattung möglich. Dafür braucht es jedoch höhere kommunale Steuereinnahmen oder dauerhaft mehr Geld von Bund und Ländern.

43 Prozent der Städte und Gemeinden haben einen nennenswerten oder gravierenden Investitionsstau im Kita-Bereich. (Foto: GEW / Shutterstock)

In den vergangenen Jahren ist der Bereich der frühkindlichen Bildung stark ausgebaut worden –  die Beschäftigung in den Kitas und in der Kindertagespflege ist enorm gewachsen. Allein die Zahl der pädagogischen Kräfte ist von 443.000 im Jahr 2011 auf 683.000 in 2020 gestiegen. Dies entspricht einem Plus von 54 Prozent. Gesellschaftlich spiegelt sich in dieser Entwicklung vor allem der Wunsch wider, die Berufstätigkeit der Eltern und die Betreuung der Kinder miteinander in Einklang zu bringen. Für Planung und Bereitstellung der Kita-Plätze sind in Deutschland auf der kommunalen Ebene Städte und Gemeinden verantwortlich.

Trotz mehrerer Investitionsprogramme des Bundes und der Länder zur Unterstützung des Kita-Ausbaus besteht nach wie vor ein nicht gedeckter Betreuungsbedarf für Kinder sowohl im Krippen- (U3) als auch im Kindergartenalter (Ü3). Der Grund: Es fehlen Erzieherinnen und Erzieher. Dieser Fachkräftemangel droht sich in den kommenden Jahren weiter zu verschärfen, wie aktuelle Simulationsrechnungen im „Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2021“ zeigen.

Dabei wird dem Personalangebot, das aufgrund der bestehenden Ausbildungskapazitäten bis zum Jahr 2030 zu erwarten ist, der ermittelte Personalbedarf gegenübergestellt. Wenn die erforderlichen Qualitätsstandards – die wissenschaftlichen Empfehlungen liegen in reinen Krippengruppen bei einer Fachkraft-Kind-Relation von 1:3 und in reinen Kindergartengruppen bei 1:7,5 – erreicht werden sollen, ergibt sich aufgrund der zu geringen Ausbildungszahl eine Fachkräftelücke von rund 230.000 Erzieherinnen und Erziehern. Werden zudem auch noch ausreichende Leitungsressourcen – eine Grundausstattung von 20 Wochenstunden pro Einrichtung und 0,35 Wochenstunden je ganztägig betreutem Kind – berücksichtigt, dann erhöht sich die Zahl der fehlenden Fachkräfte auf gut 265.000.

Erheblicher Investitionsstau

Es ist klar, dass dieser drohende Fachkräftemangel nur dann beseitigt oder zumindest verringert werden kann, wenn die Ausbildungskapazitäten steigen. Dabei muss bedacht werden, dass in Zukunft generell eher mit einem abnehmenden Arbeitskräfteangebot zu rechnen ist, was die Fachkräftegewinnung zusätzlich erschweren wird. Dem kann letztlich nur durch eine Aufwertung des Berufs der Erzieherin und des Erziehers begegnet werden. Das erfordert bessere Arbeitsbedingungen sowie eine höhere Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher.

Zu bedenken ist mit Blick auf den Bereich der Kindertageseinrichtungen ferner, dass hier neben den Personalproblemen mittlerweile auch noch ein erheblicher Investitionsstau zu verzeichnen ist: Laut dem aktuellen Kommunalpanel der Kreditanstalt für Wiederaufbau liegt dieser bundesweit bei rund neun Milliarden Euro. Das sind immerhin 6 Prozent des gesamten kommunalen Investitionsrückstands in Höhe von rund 150 Milliarden Euro. Während 56 Prozent der Kommunen keinen oder nur einen geringen Investitionsbedarf in ihren Kitas ausmachen, vermelden 32 Prozent einen nennenswerten und 11 Prozent einen gravierenden Investitionsstau.

Minus von sieben Milliarden Euro

Ob es Städten und Gemeinden gelingen wird, die allgemein befürwortete Qualitätsoffensive in den Kitas und die Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze umzusetzen, hängt entscheidend von der Entwicklung ihrer Finanzlage ab. Zwar haben die Kommunen 2020 durch den Bund und die Länder ausreichend Mittel erhalten, um die Einnahmeausfälle im ersten Jahr der Corona-Krise zu kompensieren. Ein negativer Finanzierungssaldo konnte so verhindert werden. Aber im zurückliegenden Jahr rutschten die Kommunen aufgrund fehlender Unterstützung nach Schätzungen des Städtetags mit sieben Milliarden Euro ins Minus. Auch in den kommenden Jahren wird die kommunale Finanzsituation voraussichtlich ähnlich angespannt bleiben.

Die Ampel-Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, dass sie die Betreuungsrelationen verbessern und für den weiteren Ausbau von Kita-Plätzen ein Investitionsprogramm auflegen will. Darüber hinaus hat sie auch eine Entlastung der Kommunen bei deren Altschulden ins Auge gefasst. Dies zielt insbesondere auf die sogenannten Kassenkredite, die eine Art Überziehungskredit der Kommunen darstellen. Im Jahr 2020 beliefen sich diese Kredite insgesamt auf rund 37 Milliarden Euro, wobei das vor allem in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland ein großes Problem ist.

Deutliche Mehreinnahmen nötig

Auch wenn eine Entschuldung der Kommunen sinnvoll und zu begrüßen ist, stellt die neue Bundesregierung keine Verbesserung der laufenden Einnahmen für Städte und Gemeinden in Aussicht. Diese aber wäre wenigstens in Höhe von zehn Milliarden Euro nötig, um zumindest im Ansatz den Investitionsstau abzubauen und den steigenden Personalbedarf zu decken. Ohne erhebliche jährliche Mehreinnahmen – durch höhere kommunale Steuereinnahmen oder dauerhaft höhere Zuweisungen von Bund und Ländern – ist aber keine qualitative Verbesserung der vorschulischen Bildung zu erreichen. Das im Koalitionsvertrag vollmundig formulierte Versprechen von „bester Bildung ein Leben lang“ könnte sich wie schon so oft als Muster ohne Wert erweisen.