„One Solution - GEWolution: Kritik, Praxis, Utopien“
Storytelling, Organizing und politische Bildung
Rund 100 junge GEW-Mitglieder haben am Pfingstwochenende bei der GEWolution in Erkner bei Berlin über das Bildungssystem und gewerkschaftliche Arbeit diskutiert.
Künstliche Intelligenz und Big Data, soziale Bewegungen und Protest, politische und demokratische Bildung, Rassismus und Antisemitismus, Bildung für nachhaltige Entwicklung, geschlechterreflektierende Pädagogik und internationale Zusammenarbeit: Fast zwei Dutzend Workshops standen auf der Agenda der viertägigen GEWolution, zu der rund 100 Teilnehmende angereist waren. Das Motto der alle vier Jahre stattfindenden GEW-Jugendkonferenz lautete: „one solution. GEWolution – Kritik Praxis Utopien“.
„Wir wollten emanzipatorische Bildung in den Fokus rücken“, erklärte Alexander Kolling aus dem ehrenamtlichen Organisationsteam. „Die Teilnehmenden sollen befähigt werden, den aktuellen Herausforderungen des Bildungssystems, denen sie in ihrer Praxis begegnen werden, gewachsen zu sein.“ Deshalb seien alle Workshops praxisnah und setzten sich mit gesamtgesellschaftlichen Themen auseinander.
„Wir müssen auch im gewerkschaftlichen Kontext mehr lernen, Geschichten zu erzählen und Bilder und Emotionen mit Fakten zu verknüpfen.“ (Oliver Danner)
Darüber hinaus gab es Hilfestellung für die gewerkschaftliche Arbeit. Unter der Überschrift „Wie kann ich Menschen von meinem Anliegen überzeugen?“ empfahl beispielsweise Liz Rech, Dozentin an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und der HafenCity Universität Hamburg: durch Storytelling. Informationen in Geschichten zu verpacken, erzeuge Identifikation, sagte die Regisseurin, Dramaturgin und Aktivistin. „Fakten, die berühren, bleiben haften.“ Im Beruf solle man dabei aber kurz und aussagekräftig bleiben und nicht nur die Kernaussage, sondern auch den Schluss der Story gut planen.
„Wir müssen auch im gewerkschaftlichen Kontext mehr lernen, Geschichten zu erzählen und Bilder und Emotionen mit Fakten zu verknüpfen“, sagte der Workshopteilnehmer und Sprecher der Jungen GEW Bayern, Oliver Danner. „Wir haben überzeugende Fakten, aber die allein reichen oft nicht, um Leute mitzureißen.“ Ein Beispiel für gutes Storytelling sei die Netzdebatte über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz mit dem Hashtag #IchbinHanna: „Damit können sich viele identifizieren, und es entsteht Gemeinsamkeit.“
„Persönliche Ansprache, keine E-Mails. Wir müssen lernen, wieder mit Leuten zu reden.“ (Ann-Kathrin Hoffmann)
Stichwort Hochschulpolitik: Bei einer Konferenz, die sich insbesondere an Mitglieder richtet, die jünger als 35 Jahre sind, war natürlich auch der angestrebte Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TVStud) Thema. Ann-Kathrin Hoffmann, bis vor kurzem Sprecherin des Bundesausschusses GEW Studierende, skizzierte die Geschichte der Initiative, erläuterte den in der Tarifrunde der Länder 2023 erreichten Einstieg und stellte Kernaussagen der Studie „Jung, akademisch, prekär“ vor, für die mehr als 11.000 Hilfskräfte sowie Tutorinnen und Tutoren befragt worden waren.
Jessica Flecks (23), GEW Sachsen, studiert Deutsch und Mathematik auf Gymnasiallehramt an der TU Dresden
„Ich möchte mich dafür einsetzen, unser Bildungssystem zu verändern. Gewerkschaften können thematisch Menschen bündeln, die parteipolitisch vielleicht nicht zusammenfinden. Das finde ich spannend. Ich schreibe gerade meine Abschlussarbeit über Schulentwicklung und suche auch politische Anknüpfungspunkte für die nächsten Jahre. Vor der GEWolution kannte ich die Junge GEW kaum. Deswegen war es toll, hier viele Gespräche zu führen. Die Workshops haben mir viele Impulse gegeben. Auch weil man durch diese mit immer neuen Menschen zusammengekommen ist, mit denen man sich über die GEW austauschen konnte. Ich habe jetzt mehr Gefühl für diese Gewerkschaft.“
Alexander Kolling (28), GEW Hamburg, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Weiterbildung und lebenslanges Lernen der Helmut-Schmidt-Universität
„Ich arbeite lieber in Projekten als in Gremien. Darum habe ich im Orga-Team mitgemacht. Unser Ziel war es, Menschen zu befähigen, nach dem Hands-on-Prinzip mit irgendwas loszulegen. Das hat funktioniert: Die Impulse aus den Workshops haben dazu geführt, dass Leute Bock hatten, was zu machen. Beim Open Space haben wir gesehen, wie sich viele Gruppen zu unterschiedlichen Themen gebildet haben. Ich persönlich komme mit neuem Enthusiasmus zurück. Manchmal fühlt man sich durch Strukturen und Hierarchien ja etwas gelähmt. Jetzt habe ich aber wieder das Gefühl: Ich möchte aktiv gewerkschaftliche Bildungsarbeit machen. Das wurde durch Begegnungen und Gespräche hier wiederbelebt.“
Viele Teilnehmende hatten sich für den Workshop zur studentischen Tarifbewegung nach eigenen Worten angemeldet, um sich bundesweit besser zu vernetzen – ein Aspekt, aus dem die Initiative ihren Erfolg generiert hatte. Und wie geht es damit nun weiter? Hoffmann gab einen Ausblick auf das, was bis zur Tarifrunde 2025 denkbar sei wie Mitbestimmungssemester, bundesweite Organizing-Konferenz, Organizing- und schließlich Streiksemester. Sie erklärte, wie man Mehrheiten organisiere und Gegenmacht aufbaue. Ein wichtiger Tipp: „Persönliche Ansprache, keine E-Mails. Wir müssen lernen, wieder mit Leuten zu reden.“
„Wir leben davon, dass junge Leute eintreten, dabeibleiben und aktiv werden – nicht nur in den Gremien, sondern auch in den Landesverbänden.“ (Maike Finnern)
Zum Abschluss der Konferenz kamen die GEWolution-Teilnehmenden mit der GEW-Vorsitzenden Maike Finnern ins Gespräch. „Jugendarbeit braucht hauptamtliche Unterstützung“, sagte Finnern. „Deshalb haben wir die Referentenstelle in meinem Vorstandsbereich durch Umschichten auf 75 Prozent aufgestockt. Wir leben davon, dass junge Leute eintreten, dabeibleiben und aktiv werden, nicht nur in den Gremien, sondern auch in den Landesverbänden. Dort wird die Politik vor Ort gemacht.“ Ihre konkrete Bitte mit Blick auf den Gewerkschaftstag lautete: „Lasst euch delegieren, werdet sichtbar. Bringt Anträge ein, diskutiert mit.“
Ähnlich äußerte sich der GEW-Hochschulexperte und Vizevorsitzende Andreas Keller in seiner Eröffnungsrede: „Es kommt darauf an, die Interessen junger Mitglieder schon heute zu vertreten und sie zu ermuntern, die GEW mitzugestalten.“ Mit Blick auf die gesamte Gewerkschaft betonte er: „Wir dürfen nicht stehen bleiben, sondern müssen den Mut zu bildungspolitischen Utopien haben.“
„Die GEW muss jenseits der Interessenvertretung von Beschäftigten auch gesellschaftspolitisch aktiv sein.“
Der Frage nach einem Vorstandsbereich Jugend erteilte Finnern derweil eine Absage: „Das ist derzeit finanziell schlicht nicht umsetzbar.“ Die Debatte um eine Jugendquote kann ihrer Ansicht nach indes erneut geführt werden – allerdings bestenfalls so, dass unterschiedliche Quoten nicht gegeneinander ausgespielt würden. Auf künftige Aufgaben angesprochen betonte sie: „Die GEW muss jenseits der Interessenvertretung von Beschäftigten auch gesellschaftspolitisch aktiv sein“ – und sich etwa gegen Rechts engagieren.