Berlin (dpa) - Der Wirtschaft in Deutschland geht es wieder besser: Im Januar hob die Bundesregierung die Prognose für das Wachstum in diesem Jahr von 1,8 auf 2,3 Prozent kräftig an. Von dem Aufschwung wollen auch die rund 800.000 Angestellten im öffentlichen Dienst der Länder etwas abhaben. Heute beginnen in Berlin die bis März geplanten Tarifverhandlungen. Mit Warnstreikdrohungen halten sich die Gewerkschaften bislang noch zurück. Trotz der guten Wirtschaftsentwicklung zeichnet sich aber ein zähes Ringen ab.
Dabei sind die Forderungen von ver.di und Beamtenbund dbb noch relativ bescheiden. Sie wollen einen Sockelbetrag von 50 Euro und dann eine lineare Erhöhung um drei Prozent bei einer Laufzeit von 14 Monaten, statt der bislang üblichen 12 Monate. Unterm Strich macht das in der höchsten Entgeltgruppe etwa vier Prozent aus, in der niedrigsten dagegen mehr als sechs Prozent. Zum Vergleich: In der Chemiebranche werden in der diesjährigen Tarifrunde sechs bis sieben Prozent gefordert, im Baugewerbe 5,9 Prozent.
"Wir haben nicht nur einen Lohnabstand auf die Metallindustrie und die Chemieindustrie, sondern auf die Privatwirtschaft insgesamt", begründete ver.di-Chef Frank Bsirske die Forderung. "Außerdem gibt es schon jetzt Bereiche auch im öffentlichen Dienst, wo es schwierig ist, genügend Nachwuchskräfte zu finden." Polizisten klagen über Arbeitsbelastungen. Die Gewerkschaft GEW verweist darauf, dass mehrere zehntausend Lehrer fehlen. Und Feuerwehrleute zu finden, ist nach Angaben von ver.di-Vorstandsmitglied Achim Meerkamp angesichts 24-Stunden-Diensten und mäßiger Bezahlung auch nicht mehr so einfach.
In einigen Bereichen drohe ein richtiger Personalmangel. "Wer sich um bestimmte Beamte nicht kümmert, der wird sich wundern, der wird sich richtig wundern", warnte Meerkamp. Denn in der anstehenden Tarifrunde geht es nicht nur um Angestellte: Das Ergebnis soll nach dem Willen der Gewerkschaften auch auf die insgesamt 1,24 Millionen Landes- und Kommunalbeamten übertragen werden. Zudem wollen die Gewerkschaften endlich die tarifliche Eingruppierung von Angestellten neu regeln. Seit der Einführung eines neuen Tarifrechtes 2005 für Bund und Kommunen sowie 2006 für die Länder werden Angestellte für die gleichen Tätigkeiten zum Teil unterschiedlich bezahlt.
Die Arbeitgeber sehen die Dinge naturgemäß anders. Der Verhandlungsführer der Länder, Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), wies die Forderungen der Gewerkschaften bereits als "unrealistisch" zurück - was allerdings als eher moderate Reaktion gilt. Mehrkosten von 4,5 Milliarden Euro im Jahr sieht Möllring auf die finanziell klammen Länder zukommen. Bis der Aufschwung in Form von höheren Steuereinnahmen in den Kassen ankomme, dauere es. "Zudem verbietet die Schuldenbremse im Grundgesetz den Ländern, spätestens ab 2020 neue Schulden zu machen", erklärte er unmittelbar nach Bekanntwerden der Gewerkschaftsforderungen im Dezember.
Im Vergleich zu vergangenen Tarifrunden treten Gewerkschaften und Arbeitgeber bislang relativ leise auf. Möllring pocht nicht auf eine Nullrunde. Die Gewerkschaften äußerten die Hoffnung, die Gespräche zügig in drei Runden über die Bühne zu bringen. Sollte es aber zu Warnstreiks kommen, könnten Bürger dies unter anderem im Winterdienst merken. Auch angestellte Lehrer könnten auf die Straße gehen. Vor allem in Bayern, Nordrhein-Westfalen und den neuen Ländern sind Lehrer zunehmend nicht mehr Beamte.
Start der Tarifrunde im öffentlichen Dienst
Heute haben in Berlin die Tarifverhandlungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst der Länder begonnen. Neben einer Lohnerhöhung mit sozialer Komponente geht es den Gewerkschaften um den Abschluss einer Entgeltordnung auch für Lehrkräfte.