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Gastkommentar

Standards nötig

Antidiskriminierungsarbeit kann nicht allein Schulen, Trägern der Kinder- und Jugendhilfe oder Hochschulen überantwortet werden. Die Politik muss strukturelle und institutionelle Diskriminierungen bekämpfen.

Saraya Gomis, Co-Vorsitzende des Vereins EOTO, der sich für die Interessen Schwarzer, Afrikanischer und Afrodiaspori-scher Menschen in Deutschland und Europa einsetzt (Foto: imago images/Metodi Popow)

Diskriminierungskritische Bildung ist ein Querschnittsthema. Menschenrechtsbildung, Digitalisierung, Gesundheits- und Gewaltprävention, Sexualpädagogik, Schulentwicklung oder die Entwicklung von Spielen und Materialien sind ohne diese Arbeit nicht zu denken.

Unterschiedliche Ansätze und Konzepte beschäftigen sich mit der Arbeit gegen Diskriminierungen in Kita, Schule, Hochschule und im Rahmen der kulturellen und politischen Bildung oder der sozialen Arbeit. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Ansätze, die die Diversität zentrieren und dabei Differenz und Dominanz unbeachtet lassen, jedoch keine oder kaum Effekte für einen nachhaltigen Abbau von Diskriminierungen haben. Gleiches gilt für Ansätze, die vorrangig auf Bewusstsein und Sensibilisierung in (einmaligen) Fortbildungen abzielen.

Gleichzeitig kann Antidiskriminierungsarbeit nicht allein Schulen, Trägern der Kinder- und Jugendhilfe oder Hochschulen überantwortet werden. Seit Jahrzehnten haben insbesondere zivilgesellschaftliche Expertinnen und Experten Forderungen an die Politik gestellt, damit strukturelle und institutionelle Diskriminierungen bekämpft und angemessene Voraussetzungen geschaffen werden, um diese Arbeit (weiterhin) nachhaltig zu leisten.

Aktuell hat beispielsweise die Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen (BKMO) dem Kabinettsausschuss der Bundesregierung zur Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus eine Anti-Rassismus Agenda 2025 vorgelegt. Bildung ist Ländersache, dennoch lohnt sich ein Blick in das Papier: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird aufgefordert, sich den übergreifenden Fragen von Rassismus im Bildungssystem über den Aspekt von Bildungsgerechtigkeit hinaus zu stellen und entsprechende Fachleute zu beteiligen, zu beauftragen und zu konsultieren. Gesetzesänderungen und Änderungen von Verwaltungsvorschriften sollen bis 2025 erfolgt und entsprechende Impulse auch in die Länder gegeben worden sein.

Drei Beispiele

  1. Professionalisierung: Wir sprechen von Professionalisierung statt von Sensibilisierung. Diese setzt eine gemeinsame Arbeitsdefinition von Diskriminierungen auf Grundlage mindestens menschenrechtlicher Konventionen voraus. Entsprechend müssen die Standards für die Ausbildung von Lehrenden und Erziehenden in allen Phasen überarbeitet und Rahmenvereinbarungen für eine dauerhafte diskriminierungskritische Ausbildung getroffen werden.
  2. Lebensbegleitendes Lernen: Eine pädagogisch-professionelle Transformationsarbeit, die durch externe Prozessbegleitung unterstützt wird, trägt nachhaltig dazu bei, diskriminierende Prozesse und Strukturen zu erschüttern sowie strukturelle und institutionelle Begünstigung von Diskriminierungen abzubauen und zu verhindern. Zusätzlich zu Stiftungen, die Schulen über Projekte wie „Vielfalt entfalten“ eine solche Arbeit ermöglichen, müssen auch von staatlicher Seite (für alle Kitas und Schulen) entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden.
  3. Standards: Die Aufgabe der Entwicklung, Implementierung und Überprüfung von (messbaren) Standards gilt nicht nur für Schulen, Kitas oder Hochschulen und Verwaltungen, sondern es braucht ebenso entsprechende nationale Bildungsstandards durch die Kultusministerkonferenz. Eine diskriminierungskritische Organisationsentwicklung in der Schule oder der Kita hilft, den sozialen Wandel – auch mithilfe von Standards – umzusetzen.