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International Schools

Staatliche Unterstützung unter Druck

Hohe Schulgebühren, zuweilen auch Klagen über Arbeitsbedingungen: International Schools stehen in mehreren Bundesländern auf dem Prüfstand – und das seit Jahren.

An der Berlin Metropolitan School beträgt das Schulgeld bis zu 1.199 Euro im Monat. (Foto: IMAGO/Joko)

Ein Vorgesetzter habe sie als „Sklavin“ bezeichnet. Zum Mittagessen seien ihr und ihren Kolleginnen „Plätze direkt an den Abfalleimern“ zugewiesen worden. „Einschüchterung“ und „Diskriminierung“ herrsche an der Schule. Heftige Vorwürfe formulierte Jullian B., ehemalige Lehrerin der International School of Bremen (ISB), im Fernsehmagazin „buten un binnen“, ausgestrahlt von Radio Bremen am 3. Februar 2022.

Laut Radio Bremen sind derlei Anschuldigungen kein Einzelfall: „Insgesamt zehn ehemalige und aktive ISB-Mitarbeitende, die die Vorwürfe bestätigen, sind buten un binnen bekannt“, meldete das TV-Magazin am 16. März 2022. Die ISB ist als Ersatzschule anerkannt und erhielt 2021 eine staatliche Förderung in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Das Schulgeld liegt bei maximal 1.380 Euro im Monat. Finanzschwache Eltern können eine Ermäßigung beantragen.

„Es ist nicht transparent, wer was warum machen muss.“ (Elke Suhr)

Dass sich Lehrkräfte der ISB über Diskriminierung und schlechte Arbeitsbedingungen an der Schule beschwerten, bestätigt Elke Suhr, Landesvorstandssprecherin der GEW Bremen. Lehrkräfte klagten: Wer neu sei, müsse unbeliebte Aufgaben übernehmen. „Es ist nicht transparent, wer was warum machen muss“, urteilt Suhr. Und wer sich wehren wolle, habe oft einen schweren Stand. Denn die 50 bis 60 Lehrkräfte kämen zumeist aus dem Ausland, etwa aus Südafrika, Jamaika und Indien. „Und an den zu Beginn befristeten Arbeitsverträgen hängt die Aufenthaltsgenehmigung. Dadurch entsteht viel Abhängigkeit zur ISB.“

Zweifel an Einhaltung des Sonderungsverbots

Bremens Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) prüft die Vorwürfe. Sie verweist auf das Bremer Privatschulgesetz. Demnach „muss die rechtliche Stellung der Lehrkräfte an Ersatzschulen hinreichend gesichert sein“, so die Senatorin in einem Zwischenbericht zur Untersuchung mit Datum 15. März. Die ISB habe laut Zwischenbericht einen Fachanwalt beauftragt, eine eigene Untersuchung zu erstellen. Der Anwalt sei zu dem Ergebnis gekommen, die Vorwürfe seien „nicht in prozessual ausreichender Weise konkretisiert“. Er empfehle „die Einbeziehung eines Mediators“ und eine Aufklärung „über das Verfahren zum Beschwerdemanagement“. Die Senatorin kündigte weitere Ermittlungen an. Auf eine E&W-Anfrage antwortete die ISB nicht.

Der Rechnungshof der Freien Hansestadt Bremen (RHB) hatte bereits 2019 zur ISB erklärt, es bestünden „Zweifel an der Einhaltung des Sonderungsverbots“. Der Ersatzschul-Status der Schule sei wegen „verfassungsrechtlicher Zweifel“ zu überprüfen. Die Bürgerschaft – das Bremer Parlament – und die Bildungssenatorin reagierten mit der Zusage, dem nachzugehen. Auch diese Prüfung dauere an, erklärte Maike Wiedwald, Pressesprecherin der Senatorin, am 28. März.

„Dass Eltern eine Schulgeldermäßigung beantragen können, reicht nicht für die Einhaltung des Sonderungsverbots aus.“ (Berliner Senat)

Berlin-Mitte, Linienstraße 122, nahe Oranienburger Straße. Hier sitzt die Berlin Metropolitan School (BMS), laut eigenen Angaben „die größte internationale Schule“ der Hauptstadt. Grundschule und Sekundarstufe I sind als Ersatzschulen anerkannt. Derzeit besuchen 1.112 Kinder und Jugendliche die Einrichtung. Das Schulgeld beträgt bis zu 1.199 Euro im Monat. Familien, die weniger als 30.000 Euro brutto im Jahr verdienen, zahlen 100 Euro im Monat.

Der Berliner Senat für Bildung, Jugend und Familie erklärt: „Dass Eltern eine Schulgeldermäßigung beantragen können, reicht nicht für die Einhaltung des Sonderungsverbots aus.“ Geprüft werde die Einhaltung „anlassbezogen oder im Rahmen von Stichproben von der Bewilligungsbehörde“. Wie die Prüfung genau aussieht, dazu machte der Senat keine Angaben.

Die BMS kassierte 2021 vom Land Berlin Steuergelder in Höhe von 6,6 Millionen Euro. Außerdem wurden der Schule 245.728 Euro aus dem DigitalPakt Schule bewilligt, weitere 47.396 Euro stehen der Schule aus dem Corona-Sofortausstattungsprogramm zu.

In International Schools wird auf Englisch unterrichtet. Sie führen nicht zu deutschen Abschlüssen, sondern zum International Baccalaureate (IB), das in vielen Ländern zum Hochschulstudium berechtigt. Ursprünglich lernten hier vor allem Kinder, die nicht der Schulpflicht unterliegen, weil ihre Familien nur vorübergehend in Deutschland leben. Ein Bildungsangebot also für den Nachwuchs von Diplomatinnen und Diplomaten oder Managerinnen und Managern. Inzwischen werden diese Schulen auch von vielen dauerhaft in Deutschland lebenden Mädchen und Jungen besucht.

Was rechtlich umstritten ist. Gilt eine Privatschule als Ersatzschule (sie ersetzt öffentliche Schulen), kommt sie in den Genuss staatlicher Schulfördermittel. Dazu muss die Privatschule Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes erfüllen. Demnach ist das Schulgeld so zu gestalten, dass es auch von finanzschwachen Eltern gezahlt werden kann (Sonderungsverbot).

Eine Genehmigung als Ersatzschule ist laut Grundgesetz zu versagen, „wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist“. 23 Schulen sind Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Internationaler Schulen in Deutschland e. V. (AGIS).

Lukratives Geschäft?

Träger der BMS ist die gemeinnützige Berlin Metropolitan School GmbH, geleitet von Silke Friedrich. Einziger Gesellschafter der School GmbH ist laut Bundesanzeiger eine Service GmbH, als deren Co-Geschäftsführer Silke Friedrichs Ehemann, der IT-Unternehmer und Verleger („Berliner Zeitung“) Holger Friedrich amtiert. Die Service GmbH besitzt nach der Bilanz für 2019 Gebäude und Grundstücke im Wert von 27,6 Millionen Euro – und verdient gutes Geld. 2019 erzielte sie einen Überschuss von 592.438 Euro (Vorjahr: 402.000 Euro). Ist der Betrieb einer International School in Berlin also ein lukratives Geschäft? Die Bildungssenatorin lässt ausrichten: „Hierüber liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor.“ Auf eine Anfrage der E&W reagierten Silke und Holger Friedrich nicht.

In Bayern gibt es fünf Schulen, die der Arbeitsgemeinschaft Internationaler Schulen in Deutschland e. V. (AGIS) angehören. Grundschule und Sekundarstufe I dieser fünf Schulen sind jeweils als Ersatzschulen anerkannt. Im Schuljahr 2020/21 erhielten sie zusammen 12,6 Millionen Euro aus der bayerischen Staatskasse. Hinzu kam in den vergangenen Jahren eine „staatliche Förderung von Baumaßnahmen“ in Höhe von 18,9 Millionen Euro.

Die staatliche Unterstützung steht unter Druck. Im Oktober 2020 erklärte der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) auf Anfrage der E&W: Er habe gegenüber dem Kultusministerium in München „den Zusammenhang zwischen den Genehmigungsvoraussetzungen von Ersatzschulen und der Höhe der Schulgelder thematisiert“. Im selben Jahr gaben die bayerischen International Schools bei der Potsdamer Juristin und Hochschullehrerin Frauke Brosius-Gersdorf ein Rechtsgutachten in Auftrag. Dessen Ergebnis, wenig überraschend: Die Jahrgangsstufen 1 bis 12 der International Schools seien als Ersatzschulen anzuerkennen. Dem stehe nicht entgegen, „dass sie grundsätzlich in englischer Sprache unterrichten und überwiegend ausländische Lehrkräfte (…) beschäftigen“.

„Die Grundsatzfrage der schulrechtlichen Organisation sogenannter Internationaler Schulen (…) bedarf nach wie vor der Klärung.“ (Bayerisches Kultusministerium)

Das Sonderungsverbot werde berücksichtigt, wenn Eltern auf Antrag ein ermäßigtes Schulgeld zahlen könnten. Oder wenn die Höhe des Schulgeldes nach den „Besitzverhältnissen“ gestaffelt werde. Für Empfänger existenzsichernder Sozialleistungen erscheine „ein vollständiger Erlass des Schulgeldes geboten“. Wie beurteilt Bayerns Kultusministerium das Gutachten? Antwort vom 10. März: „Die Grundsatzfrage der schulrechtlichen Organisation sogenannter Internationaler Schulen (…) bedarf nach wie vor der Klärung.“

Nochmal ein Blick nach Bremen: Jullian B. klagt vor dem Arbeitsgericht, die Verhandlung findet am 9. Mai statt. Ein weiterer Prozess einer ehemaligen ISB-Lehrkraft endete im März mit einem Vergleich – laut Medienbericht zahlt die ISB 6.000 Euro an die Lehrerin.