Fotos:Manfred Brinkmann
Am Morgen des 25. Juni haben türkische Sicherheitskräfte den Hauptsitz der Bildungsgewerkschaft Eğitim-Sen sowie weitere Regionalbüros und Privatwohnungen von Lehrergewerkschaftern durchsucht. Auch andere Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft waren von der Polizeiaktion betroffen, die zeitgleich landesweit in etwa zwanzig Städten stattfand. Mehr als siebzig Personen wurden verhaftet. Unter ihnen sind drei Vorstandsmitglieder der GEW-Partnergewerkschaft Eğitim-Sen (Generalsekretär Mehmet Bozgeyik, Frauensekretärin Sakine Eren Yılmaz und Schatzmeister Abdullah Karahan), der Vorsitzende des Dachverbandes der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (KESK), Lami Ozgen, der Generalsekretär der Gewerkschaft für Gesundheit und Soziales (SES), Mehmet Siddik Akin, der Generalsekretär der Gewerkschaft der kommunalen Beschäftigen (Tüm Bel Sen), İzzet Alpergin, und der Vorsitzende der Land- und Forstarbeitergewerkschaft (Tarım Orkam Sen), Metin Vuranok.
Es ist nicht das erste Mal, dass der türkische Staat gegen missliebige Gewerkschafter und ihre Organisationen vorgeht. Die Bildungsgewerkschaft Eğitim-Sen war schon während der türkischen Militärherrschaft immer wieder Repressionen und Verbotsdrohungen ausgesetzt. Auch der AKP-Regierung unter Ministerpräsident Erdogan ist die säkulare Eğitim-Sen mit ihrer Ablehnung des obligatorischen Islamunterrichts an öffentlichen Schulen und der Forderung nach muttersprachlichem Unterricht für Kinder der kurdischen Minderheit ein Dorn im Auge. Ende Mai waren hunderttausende Lehrkräfte und andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes trotz gesetzlichen Verbots einem Streikaufruf ihrer Gewerkschaften für bessere Bezahlung und Anerkennung des Streikrechts für öffentlich Bedienstete gefolgt. Die jetzigen Verhaftungen sind ein neuerlicher Versuch des türkischen Staates, die legitimen Forderungen der Gewerkschaften zu unterdrücken sowie aktive Gewerkschafter einzuschüchtern und zu kriminalisieren.
In den letzten zwei Jahren hat die AKP-Regierung die Repressionen gegen kritische Intellektuelle, Journalisten, Kurdenpolitiker und Gewerkschafter massiv verschärft. Erst Ende November 2011 wurden 25 Kolleginnen und Kollegen der KESK und Eğitim-Sen zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Die GEW und die Bildungsinternationale haben in der Vergangenheit immer wieder gegen die politisch motivierten Verhaftungen von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern in der Türkei protestiert und mehrfach Prozessbeobachter zu Gerichtsverhandlungen gegen angeklagte Gewerkschaftsaktivisten in die Türkei entsandt. „Wir fordern die Freilassung der Inhaftierten, Respekt vor Menschen- und Gewerkschaftsrechten sowie eine Aufhebung der unwürdigen Gerichtsurteile gegen aktive Gewerkschafter“, sagte GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne am Montag in Frankfurt a. M.
Die GEW ruft zu Protestschreiben an die türkische Regierung und an die Botschaft der Türkei in Berlin mit der Forderung nach Freilassung der inhaftierten Gewerkschafter auf!