Die Studien zum Suchtmittelkonsum in Deutschland machen immer wieder deutlich: Gerade junge Menschen zeigen sich in der Phase des Kennenlernens von und Experimentierens mit psychoaktiven Substanzen besonders risikofreudig. Hier werden die Grenzen zwischen Genuss und Missbrauch ausgelotet – und nicht selten überschritten. Auch wenn sich aktuell ein spürbarer Rückgang beim Konsum von Alkohol, Tabak, Cannabis und anderen illegalen Drogen ausmachen lässt, so bleibt es doch dabei, dass der Umgang mit Rauschmitteln in der Lebenswelt vieler Jugendlicher eine funktionale Bedeutung hat: Er symbolisiert in der Übergangsphase vom Kindsein zum Erwachsenen das Bedürfnis und – aus Sicht der jungen Menschen – ihre Fähigkeit, selbstständige, die eigene Person betreffende Entscheidungen zu fällen. Im Rahmen dieses Identitätsfindungsprozesses wird gerade durch den Konsum illegaler Drogen Gruppenzugehörigkeit zu Gleichaltrigen angezeigt, und dieser bietet die Möglichkeit von Grenzerfahrungen. Für einen Teil der jungen Konsumentinnen und Konsumenten kann ihr Verhalten aber auch als Versuch interpretiert werden, entwicklungsbedingte Alltagsbelastungen zu bewältigen und damit subjektiv erlebte Defizite zu kompensieren.
Dass sich die meisten Jugendlichen der Gefahren durchaus bewusst sind, die der Rauschmittelkonsum birgt, ist sicher auch ein Erfolg der bisherigen Präventionsbemühungen. Es zeigt sich, dass Informations- und Aufklärungsangebote die jungen Menschen in weiten Teilen erreichen. Im Mittelpunkt solcher eher universellen Vorbeugungsmaßnahmen stehen drei Hauptanliegen: Alternativen zu entwickeln und anzubieten, Perspektiven aufzuzeigen sowie das Selbstbewusstsein zu stärken, um so einen Rahmen zu schaffen, sich in der konsum-, leistungs- und erlebnisorientierten Gesellschaft zurechtzufinden. Wenn aber trotz dieser Bemühungen ein nicht unerheblicher Teil der Jugendlichen mit Rauschmitteln hantiert, stellt dies keine substanzielle Abweichung von den Verhaltensnormen und Konsumgewohnheiten dar, die in der Erwachsenenwelt gelten, sondern ist allenfalls ein graduell überhöhter Ausdruck dieser Normen und Gewohnheiten.
Werteorientierte Verhaltensweisen wie Mäßigung, Genuss, Innehalten und Verzicht werden zunehmend durch ein von Kategorien wie Flatrate, all-inclusive, XXL und Obsoleszenz gekennzeichnetes Denken in den Hintergrund gedrängt.
Es geht hier nicht darum, bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen moralisch zu verteufeln. Es geht lediglich um den Versuch, das zuweilen erstaunte Unverständnis und die weitgehend unbegründeten Hoffnungen der Erwachsenen zu relativieren, dass ausgerechnet das Ausmaß des Umgangs Jugendlicher mit Rauschmitteln von den ansonsten typischen Erscheinungen einer auf Konsum und Wachstum ausgerichteten Gesellschaft unberührt bleiben sollte. Werteorientierte Verhaltensweisen wie Mäßigung, Genuss, Innehalten und Verzicht werden zunehmend durch ein von Kategorien wie Flatrate, all-inclusive, XXL und Obsoleszenz gekennzeichnetes Denken in den Hintergrund gedrängt.
Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass solche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Wesentlichen von den Erwachsenen geschaffen werden. Und dass die nachwachsende Generation sich in ihrem Handeln zunächst einmal an dem orientiert, was sie vorfindet. Das bedeutet, dass wir uns, wenn wir den Umgang Jugendlicher mit Suchtmitteln einordnen und bewerten, auf uns selbst und unser Verhalten zurückgeworfen sehen. Vor diesem Hintergrund kann eine auf lange Sicht erfolgreiche Prävention des Drogenmissbrauchs in der nachwachsenden Generation nur dann gelingen, wenn sie auch die grundlegenden Einstellungen der Erwachsenen selbstkritisch mit einbezieht – und dabei deren konkrete Umgangsformen mit den in der Gesellschaft etablierten Suchtmitteln wie Alkohol, Tabak und Medikamente radikal auf den Prüfstand stellt.