Zum Inhalt springen

Spannung und Verärgerung - die zweite Verhandlungsrunde

Die zweite Verhandlungsrunde der Tarifrunde Länder, die am 26. und 27. Februar in Potsdam stattfand, ist erneut ohne Ergebnis geblieben. Statt ein eigenes Angebot vorzulegen, eröffneten die Arbeitgeber mit einer Provokation: Sie wollen den Tarifvertrag für Lehrkräfte diktieren und lehnen Verhandlungen entgegen aller Absprachen ab. Ein Bericht aus der GEW-Verhandlungskommission.

Fotos: Kay Herschelmann

Gleich zu Beginn riefen Arbeitgeber und Gewerkschaften am Verhandlungstisch das Thema Lehrkräfte-Entgeltordnung (L-EGO) auf. Die Arbeitgeber eröffneten mit einer Provokation gegenüber der GEW: Sie erklärten die Kernforderung der GEW, die „Paralleltabelle“, für nicht verhandelbar. Bei der Parallaltabelle geht es der GEW um die Zuordnung der Entgeltgruppen zu den „vergleichbaren“ Besoldungsgruppen. Mit ihrer Verweigerungshaltung haben die Arbeitgeber die Geschäftsgrundlage der seit September laufenden L-EGO-Verhandlungen zwischen GEW und TdL verlassen.

Mit Nachteilen leben, ohne von Vorteilen profitieren zu können

Noch in den Verhandlungen zur L-EGO, die zum Schluss im Zweiwochenrhythmus geführt wurden, hatten die Arbeitgeber die Forderungen der GEW grundsätzlich als verhandelbar bezeichnet, aber konkrete Verhandlungen wegen möglicher Finanzwirkungen auf die Tarifrunde verschoben. Sie hatten einen 41 Seiten langen komplizierten „Entwurf“ vorgelegt, der sich liest wie ein „Super-Beamtengesetz“. Nicht nur die Eingruppierung derjenigen, die von Ausbildung und Tätigkeit her mit den verbeamteten Lehrkräften vergleichbar sind, sollte durch das Beamtenrecht vorgegeben werden. In unendlicher Detailversessenheit wollte die TdL sämtliche in den an vielen Punkten unterschiedlichen Lehrerrichtlinien der Bundesländer aufgeführten Beschäftigten von nicht vorhandenen „vergleichbaren“ Idealbeamten abgrenzen und entsprechend schlechter eingruppieren. Mit diesem Entwurf wäre in weiten Teilen der Status quo festgeschrieben worden, tarifbeschäftigte Lehrkräfte hätten weiterhin mit allen Nachteilen des Beamtenrechts leben müssen, ohne von seinen Vorteilen profitieren zu können.

Die GEW hatte sich in den vorangegangenen L-EGO - Verhandlungen trotzdem bereiterklärt, auf Basis dieser Textfassung weiter zu verhandeln – unter der Bedingung, dass das Herzstück der Tarifregelung, die Zuordnungstabelle, entsprechend der „Paralleltabelle“ geregelt wird: A12 soll E12 entsprechen, A11 gleich E11 u.s.w. Das hatte die GEW in den Verhandlungen stets deutlich gemacht. Die Paralleltabelle erklärte die TdL-Verhandlungsführung nun zum „no go“. Zudem war sie plötzlich nicht mehr bereit, wie vorab vereinbart, an einem gesonderten Tisch die möglicherweise kostenträchtigen Details einer möglichen L-EGO weiter zu verhandeln. Eine Provokation gegenüber der GEW: Öffentlich verkündet die TdL weiterhin, sie sei an einer tariflichen Eingruppierung der Lehrkräfte interessiert, aber in den Verhandlungen tut sie alles, um die GEW zu einer Ablehnung zu zwingen. Das ist ein durchsichtiges Manöver – die TdL möchte am Ende der GEW den schwarzen Peter für das erneute Scheitern der L-EGO-Verhandlungen zuschieben. Nach dieser Erfahrung verfestigt sich der Eindruck, dass die vielen Verhandlungstermine, in die die GEW-Verhandlungskommission viel Zeit und Energie investiert hat, nur Alibi-Veranstaltungen waren.

Auch von Ost-West-Angleichung kann keine Rede sein

Die Arbeitgebervertreter behaupten, ihr Angebot enthalte eine Ost-West-Angleichung. Auch das ist eine Fehlinformation! Die Abschaffung getrennter Richtlinien Ost und West ist noch keine Gleichstellung. So lange in den beamtenrechtlichen Regelungen mehrerer Ost-Länder die Lehrkräfte mit DDR-Ausbildung weiterhin nicht den nach neuem Recht ausgebildeten Lehrkräften gleichgestellt sind, so lange wird es auch bei einer Anbindung an das Beamtenrecht Unterschiede in der Bezahlung geben. Und das Problem, dass Lehrkräfte mit DDR-Ausbildung in den westlichen Bundesländern schlechter bezahlt werden, ist damit schon gar nicht gelöst.

Arbeitgeber verlangen Kürzungen der VBL-Rente um 20 Prozent

Als zweites großes Thema riefen die Tarifparteien das Thema Zusatzversorgung auf. Hier konkretisierten die Arbeitgeber ihr Erpressungsmanöver aus der ersten Verhandlungsrunde: Sie fordern, dass die Mehrkosten durch die steigende Lebenserwartung allein durch die Arbeitnehmer über Kürzungen ihrer Betriebsrente getragen werden müssten. Das bringe für neu eingestellte Beschäftigte gerade mal 70 Euro Rentenkürzung, so die Arbeitgebervertreter. Das mag den bei der TdL verhandelnden Finanzministern oder Ministerialbeamten wenig vorkommen. Wenn man weiß, dass die durchschnittliche Rentenhöhe bei der VBL gerade mal bei rund 350 Euro liegt, wird das Ansinnen deutlich: Hier sollen künftige Betriebsrentenansprüche um ein Fünftel gekürzt werden!

Den Einwand der Gewerkschaften, dass die Beschäftigten bereits durch die Systemumstellung 2001 genug Verzicht geleistet hätten und dass deshalb genug Geld im System vorhanden sei, konnten die Arbeitgeber nicht glaubhaft widerlegen. Immerhin wurde vereinbart, dass der von den Gewerkschaften beauftragte Versicherungsmathematiker erstmals vollen Zugang zu den Daten der VBL bekommen soll, um die Berechnungen der Arbeitgeberseite kritisch prüfen zu können. In einem weiteren Termin am 10. März, also noch vor der dritten Verhandlungsrunde, sollen die Fragen der Zusatzversorgung weiter bearbeitet werden. Bei diesem Termin werden auch Vertreter von Bund und kommunalen Arbeitgebern mit am Tisch sitzen, da die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) von allen drei Arbeitgebergruppen des öffentlichen Dienstes gemeinsam getragen wird.

Sachgrundlose Befristungen stopppen

Am zweiten Tag der Verhandlungen wurden die übrigen Forderungen in der Spitzenrunde diskutiert. Die wichtigste Forderung der Gewerkschaften nach einer Entgelterhöhung von 5,5 Prozent, wurde von den Arbeitgebern zurückgewiesen. Die TdL weigerte sich, ihrerseits ein Angebot vorzulegen, da sie weiterhin die Verknüpfung mit der von ihr geforderten Rentenkürzung und der L-EGO aufrechterhielt. Die Forderung nach einer sozialen Komponente (Mindestbetrag 175 Euro) wies die TdL mit der Behauptung zurück, die Nivellierung der Gehaltstabelle werde auch von den Beschäftigten nicht gewollt.

Neben etlichen Themen, die den Bereich der GEW nicht betreffen (Theater und Bühnen, Psychiatrie, Feuerwehr…) kam auch die Frage der sachgrundlosen Befristungen auf den Tisch. Hier hatte es in der Tarifrunde 2014 mit dem Bund eine Verabredung gegeben, dass es hierzu zunächst einer Bestandsaufnahme bedürfe. Aus keiner Statistik lässt sich nämlich ablesen, zu welchen Teilen Befristungen mit oder ohne Sachgrund abgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang soll das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit eine repräsentative Untersuchung anfertigen, in der auch eine Universität und ein Landesministerium beispielhaft angeschaut werden sollen. Das hat der TdL nicht gefallen. Die TdL geht nach eigener Aussage davon aus, dass es in den Ländern keine Probleme mit sachgrundlosen Befristungen gebe – weite Teile des Landesdienstes seien schließlich klassische „Beamtenbereiche“ – und deshalb auch keinen Regelungsbedarf. Dennoch hatten die Gewerkschaftsvertreter den Eindruck, dass sich die Ländervertreter der öffentlichen Debatte über sachgrundlose Befristungen nicht mehr ganz entziehen können, und deshalb zumindest Gesprächsbereitschaft signalisiert haben. Eine Bereitschaft zu einer tariflichen Regelung zum Ausschluss von sachgrundlosen Befristungen ist das natürlich noch lange nicht.

Etwas ausführlicher wurde auch über die Forderungen der Gewerkschaften für Azubis gesprochen. Die Gewerkschaften fordern für die Azubis nicht die sonst geforderte lineare Anhebung der Vergütung, sondern einen deutlich höheren Festbetrag. Sie machten deutlich, dass die Ausbildungsvergütungen im öffentlichen Dienst nicht wettbewerbsfähig gegenüber der Privatwirtschaft sind, was angesichts des demografischen Wandels für den öffentlichen Dienst problematisch werden wird. Deshalb müssten die Ausbildungsvergütungen überproportional angehoben werden. Auch die Übernahmegarantie sei dringend nötig. Die Arbeitgeber behaupteten, überwiegend gebe es kein Übernahmeproblem, da meist bedarfsgerecht ausgebildet werde. Dort wo bewusst über Bedarf ausgebildet werde könne der Arbeitgeber auch keine Übernahmegarantie anbieten.

Text: Gesa Bruno-Latocha, Markus Hanisch