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Spanien: Gewerkschaftskongress in Krisenzeiten

Die andauernde Wirtschaftskrise hat Spanien verändert. Zum elften nationalen Kongress der Bildungsgewerkschaft FECCOO vom 17. – 19. Januar 2013 waren rund 250 Delegierte und zahlreiche internationale Gäste aus aller Welt nach Madrid gereist.

Foto: Manfred Brinkmann

Mit drastischen Worten beschrieb der scheidende Generalsekretär der spanischen Bildungsgewerkschaft FECCOO, José Campos Trujillo, die Folgen der Krisenpolitik der konservativen Regierung: „Wir befinden uns in Kriegszeiten! Dieses Land ist nicht mehr das, was es zum Zeitpunkt unseres letzten Kongresses vor vier Jahren war.“ FECCOO ist die größte von insgesamt sieben Mitgliedsgewerkschaften der Bildungsinternationale in Spanien. Das Land steckt in einer tiefen Depression und hält mit Griechenland die Spitzenposition bei der Arbeitslosigkeit in Europa. Besonders betroffen sind junge Menschen, von denen heute jeder zweite ohne Arbeit und eigenes Einkommen ist. Die Armut nimmt zu und wird auf den Straßen sichtbar. Trotz landesweiter Proteste und Generalstreiks mit Beteiligung aller wichtigen Gewerkschaften ist es bisher nicht gelungen, die spanische Regierung von ihrer einseitigen Sparpolitik zu Lasten der Arbeitnehmer und der sozial Schwachen abzubringen. Die Kürzungen in den öffentlichen Haushalten verschärfen die Krise und führen in eine Abwärtsspirale mit unabsehbarem Ausgang.

Soziale Errungenschaften werden geschleift
Von den massiven Sparmaßnahmen ist das öffentliche Bildungswesen besonders betroffen: Größere Klassen, weniger Lehrer, geringere Einkommen, Rentenkürzungen, höhere Studiengebühren und Einschnitte bei staatlichen Stipendien - mit diesen Maßnahmen will die Regierung unter Ministerpräsident Rajoy das Haushaltsdefizit in den Griff bekommen und die Finanzmärkte beeindrucken. Während die Konservativen sich anschicken, das öffentliche Bildungswesen zu schleifen, forcieren sie gleichzeitig die Privatisierung der Bildung. Dies will die Bildungsgewerkschaft FECCOO, die Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen vertritt, nicht hinnehmen. Die Diskussionen beim Kongress in Madrid waren geprägt von Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit. „Sie stehlen unsere Worte und geben ihnen eine andere Bedeutung. Sie bezeichnen Gleichheit als Ungerechtigkeit“, empörte sich eine Delegierte aus Katalonien. Ein Delegierter aus Andalusien klagte: „Sie rauben uns all die Errungenschaften, für die wir Jahrzehnte gekämpft haben“.

Öffentliche Bildung verteidigen
Mit 122 Frauen und 123 Männern herrschte unter den Delegierten zahlenmäßig fast Geschlechterparität. Auch vierzig internationale Gäste von Bildungsgewerkschaften aus Europa, Amerika und Afrika nahmen am FECCOO Kongress teil. Immer wieder riefen Delegierte dazu auf, den Widerstand fortzusetzen: „Wir müssen weiter mobilisieren. Nur so können wir die öffentliche Bildung in unserem Land verteidigen“, so eine Delegierte aus Galizien. Der Kongress wählte auch einen neuen Vorstand. Nach acht Jahren im Amt wurde José Campos Trujillo als FECCOO-Generalsekretär verabschiedet. Sein Nachfolger Francisco García wandte sich entschieden gegen aktuelle Pläne der spanischen Regierung für eine Bildungsreform „in einem öffentlichen Bildungssystem, dass bereits durch die Haushaltskürzungen erodiert.“

Weniger Personal für Gewerkschaftsarbeit
Das sogenannte ‘Gesetz zur Verbesserung der Qualität der Bildung‘ (Ley Orgánica para la Mejora de la Calidad de la Educación - LOMCE), das die Regierung im Entwurf veröffentlicht hat, sei ideologisch motiviert, unsozial und selektiv, ein „Rückschritt in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts“. Francisco García sprach sich für breite soziale Allianzen im Widerstand gegen die neoliberale Regierungspolitik aus. Der neue FECCOO Generalsekretär wird für die anstehenden Aufgaben erheblich weniger Personal zur Verfügung haben als sein Vorgänger. Die spanische Regierung hat bestehende Freistellungsregelungen für Gewerkschafter aufgehoben, was bedeutet, das von rund einhundert Personen, die bisher beim FECCOO Vorstand gearbeitet haben, etwa achtzig an ihre ursprünglichen Arbeitsplätze in Schulen und Hochschulen zurückkehren müssen. „Die Krise macht uns zur letzten organisierten Opposition in Spanien“, meint Francisco García, den seine Gewerkschaftskollegen nur ‚Paco‘ nennen. „Das ist der Grund, warum die Regierung uns Gewerkschaften permanent attackiert.“