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fair childhood

Souvenirs aus Kinderarbeit

Reisen wir heute fairer und nachhaltiger als vor der Corona-Krise? Nur bedingt, sagt Antje Monshausen von Tourism Watch. Auch das Risiko von Kinderarbeit im Tourismus habe sich wieder erhöht.

Während der Corona-Pandemie ist die Zahl arbeitender Kinder gestiegen. Viele verkaufen zum Beispiel Souvenirs. (Foto: IMAGO/YAY Images)
  • E&W: Frau Monshausen, hat Kinderarbeit im -Tourismus durch die Pandemie zugenommen?  

Antje Monshausen: Ja. Vor der Corona-Pandemie ging die Zahl arbeitender Kinder zurück – von 2019 auf 2020 ist sie wieder um 5 Prozent gestiegen. Heute arbeiten 160 Millionen Kinder, die Hälfte davon wird ausgebeutet. Dass wieder mehr Kinder schuften, hat einen Grund: Viele Eltern haben mit der Pandemie ihre Jobs verloren – auch im Tourismus, etwa in der Karibik oder in Ländern wie Sri Lanka und Gambia.

  • E&W: Welche Jobs haben Kinder und Minderjährige im Tourismus?

Monshausen: Oft arbeiten sie, für Touristen unsichtbar, illegal in Wäschereien, Restaurants, Küchen. Oder sie verkaufen Souvenirs am Strand oder in Bars. Kinder werden auch Opfer sexueller Ausbeutung durch Reisende.

  • E&W: Ist die Gefahr auch hier gestiegen?

Monshausen: Ja, durch die Digitalisierung. Beispiel Peru: Dort haben vor der Pandemie 79 Prozent der Minderjährigen das Internet genutzt, heute sind es 92 Prozent – sprich: Sexualstraftäter können viel leichter, und noch vor Antritt der Reise, Kontakte aufbauen. Oder Beispiel Philippinen: Dort finden sich heute dreimal so viele Bilder und Videos von sexuellem Missbrauch im Internet wie 2020. Auch ein neuer Reisetrend hat das Risiko der sexuellen Ausbeutung von Kindern verstärkt: Workations, also das wochen- und monatelange Homeoffice in einem Urlaubsort. Pädokriminelle Reisende haben dadurch länger Gelegenheit, Kontakte mit Kindern anzubahnen und Vertrauen aufzubauen.

  • E&W: Kann ich als Reisender oder Reisende Kinder schützen – und wenn ja: wie?

Monshausen: Wählen Sie einen Reiseveranstalter, der den Kinderschutzkodex The Code unterzeichnet hat oder das Nachhaltigkeitslabel TourCert vorweisen kann, bei dem Kindesschutz ein Kriterium ist. Wenn Sie individuell reisen, achten Sie darauf, dass möglichst viel Geld vor Ort ankommt – denn gute Einkommen für Eltern schützen Kinder! Wir haben als Hilfestellung den One Planet Guide entwickelt, einen digitalen Begleiter. Er hilft von der Urlaubsplanung über das Reiseerlebnis vor Ort bis zum In-Kontakt-Bleiben nach den Ferien. Und er hilft, die Auswirkungen der eigenen Reise einzuordnen.

  • E&W: Was halten Sie von Schul- und Projektbesuchen während der Reise?

Monshausen: Gar nichts, wenn es dabei zu Kontakten mit Kindern kommt. Leider bieten Reiseveranstalter immer noch solche Besuche an, aber das sollte man lassen. Sie reißen Kinder aus Unterricht oder Freizeit.

  • E&W: Wie reagiere ich am besten, wenn ich während der Reise auf ein bettelndes Kind treffe?

Monshausen: Ich weiß, es fällt schwer – aber geben Sie dem Kind keine Geschenke oder Geld. Die Eltern werden es sonst erst recht auf die Straße schicken anstatt zur Schule.

  • E&W: Und wenn ich sehe, dass ein erwachsener Gast einem Kind gegenüber sexuell übergriffig wird?

Monshausen: Dann zeigen Sie Zivilcourage – informieren Sie etwa das Hotelpersonal oder die Polizei vor Ort. Oder melden Sie ihre Beobachtungen über www.nicht-weg-sehen.net. Dahinter stehen die Kinderrechtsorganisation ECPAT und das Bundeskriminalamt. Sie prüfen jeden Fall und kooperieren mit der Polizei vor Ort.

  • E&W: Bei Schulabsolventinnen und -absolventen liegen Freiwilligen-Urlaube im Trend, etwa in Waisenhäusern oder Schulen. Hilft das Kindern?

Monshausen: Nein, oft schadet es ihnen sogar. Bei vielen Kurzzeit-Angeboten im Bereich des Voluntourismus werden die Freiwilligen kaum vorbereitet. Problematisch ist auch, wenn Freiwillige an Schulen unterrichten und Lehrkräfte ersetzen. Eine Lehrkraft in Kambodscha verdient im Jahr etwa 1.200 Euro – das ist in etwa so viel, wie ein zweiwöchiger Aufenthalt in einem Voluntourismus-Projekt kostet! Vor Ort kommt davon aber fast nichts an.

Antje Monshausen, Leiterin der Arbeitsstelle Tourism Watch bei Brot für die Welt. (Foto: Brot für die Welt)