Rund sieben Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) bezeichnet der Sonderpädagoge Hans Wocken die bisherigen Ergebnisse als "absolut enttäuschend". Die Zahl der SonderschülerInnen sei "nur marginal bis gar nicht zurückgegangen", sagte er im Interview mit der "E&W". Dabei hätten sowohl die Inklusion als auch der demografiebedingte Schülerrückgang zu einem nennenswerten Rückgang der Separation in Sonderschulen führen müssen.
Die Bundesländer schmückten sich damit, dass die sogenannten Inklusionsquoten kontinuierlich stiegen. "Aber diese Zahlen täuschen", betonte Wocken, der auch Mitglied des Expertenkreises der deutschen UNESCO-Kommission ist. De facto habe keine Integration von SonderschülerInnen in die Regelschulen stattgefunden. Stattdessen seien nicht behinderte „Problemkinder“ mit schlechten Noten oder Verhaltensauffälligkeiten zu Mädchen und Jungen mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemacht worden. "Deshalb schnellen Inklusionsquoten nach oben."
Nach Einschätzung des Experten hat diese Entwicklung möglicherweise auch finanzielle Gründe. Schulen und Lehrkräfte, die zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen für „Problemschüler“ benötigten, müssten diesen in der Regel den Stempel „Behinderung“ aufdrücken. Nur dann hätten sie Anspruch auf zusätzliche Mittel. Darüber hinaus stünden die Schulen unter großem Druck, inkludierte Kinder vorzuweisen. Wocken forderte, wenn der Inklusionsbegriff erweitert werde, müsse es auch "zusätzliche Mittel für benachteiligte Kinder in unserem Schulsystem geben – also für jene aus armen oder Migrantenfamilien".
Das vollständige Interview unserer Autorin Katja Irle ist in der Juli-/Augustausgabe der "E&W" zu finden, die auch unter Downloads verlinkt ist.