Von September 2004 bis Juli 2005 war ich als Ortslehrkraft an der Deutschen Schule Rom beschäftigt. Mein Weg führte mich damals von einer kooperativen Gesamtschule, in einem sozialen Brennpunkt gelegen, in eine Schule, deren Schülerschaft sich überwiegend aus Kindern und Jugendlichen finanzstarker Familien rekrutierte. Wie die meisten Deutschen Auslandsschulen verfügte auch die „Scuola Germanica Roma“ über Strukturen und Ressourcen, wie ich sie bis dahin nur von Privatschulen kannte: Neben einem weitläufigen und sehr attraktiven Schulgelände samt Hallenbad (!) war eine sehr gut ausgestattete Bibliothek vorhanden, die eine Bibliothekarin verwaltete. In einem weiteren Büro wurde von zwei Mitarbeitern der Nachmittagsbetrieb (dopo scuola) organisiert. Eine Arbeit, die in staatlichen Schulen innerhalb Deutschlands oft von Lehrkräften „nebenbei“ erledigt werden muss. Sprechstunden waren bereits in meinem Stundenplan integriert und Termine wurden vom Sekretariat nach Voranmeldung vergeben.
Für Neuankömmlinge, die die Landessprache noch nicht perfekt beherrschten, unterstützte uns Lehrkräfte die fließend Italienisch sprechende Sekretärin bei den Elterngesprächen. Als besonders fortschrittlich empfand ich es damals schon, dass die Verwaltungsarbeit weitestgehend von der pädagogischen Arbeit des Schulleiters getrennt wurde und es auch dafür speziell geschulte Angestellte gab. Bis ich allerdings auch auf der Unterrichtsebene viele Dinge positiv wahrnehmen konnte, sollten noch einige Tage vergehen, denn der Unterricht fiel gleich zu Schuljahresbeginn aus! Der Grund dafür war nicht etwa ein „sciopero“ (Streik), der die „mezzi pubblici“ (öffentlichen Verkehrsmittel) lahmlegte, was oft in Rom vorkam, sondern ein Streik der Ortslehrkräfte, die sich schon seit geraumer Zeit in zähen Verhandlungen mit dem Elternverein befanden und ihren Forderungen nach Lohnerhöhung damit Nachdruck verleihen wollten. Dieser unerwartete Arbeitsausfall war ein erster Vorgeschmack darauf, welche Spannungen mich in den Folgemonaten noch erwarten sollten. Doch dazu später.
Was mir angenehm auffiel
Zuerst möchte ich die vielen positiven Beispiele schildern, die meinen Aufenthalt in Italien in beruflicher Hinsicht bereicherten: Deutsch wurde stark differenziert unterrichtet. Es wurde nicht nur von uns Deutschlehrkräften Deutsch als Muttersprache und Deutsch als Zweitsprache in verschiedenen Lerngruppen unterrichtet, sondern auch die Lehrkräfte, die für die naturwissenschaftlichen Fächer zuständig waren, wurden in erstklassigen Fortbildungen für die unterschiedlichen Lernausgangslagen der Schülerinnen und Schüler auf sprachlicher Ebene sensibilisiert. Das war nicht das erste Mal, das ich selbst mit dem Thema Deutsch als Zweitsprache (DaZ) in Berührung kam. Es sollte allerdings drei weitere Jahre dauern, bis ich im Rahmen einer Abordnung an das hessische Kultusministerium die Gelegenheit hatte, bei der Organisation des ersten hessischen DaZ-Kongresses mitzuwirken, der erstmals eine breitere Lehrerschaft im eigenen Bundesland mit dem Thema konfrontierte. Die deutsche Auslandsschule hatte hier definitiv eine Vorreiterrolle inne. Neben dieser Fortbildungs- bzw. Kooperationsveranstaltung mit der Deutschen Schule Mailand, die als Auslandsteil für alle nach Italien entsandten ADLK-Lehrkräfte geplant war und an der auch die Ortslehrkräfte teilnehmen durften, hatten wir einige Monate später Gelegenheit, pädagogische Fragestellungen im internationalen Kontext bei einem Adoleszenzseminar am Liceo ginnasio „Luigi Galvani“ in Bologna mit den dortigen Lehrkräften und italienischen Wissenschaftlern zu erörtern. Diese Chance einer vollfinanzierten Teilnahme an einem gemeinsamen Seminar mit Kolleginnen und Kollegen aus dem europäischen Ausland hat man ansonsten als Lehrperson nur alle 2 Jahre, wenn einem die entsprechende Förderung über den European Council (Comenius bzw. Pestalozziseminare) genehmigt wird.
Weitere „Highlights“ während meines Jahres in Rom waren zweifellos die Lesungen und Begegnungen mit bekannten Schriftstellern wie Paul Maar und Volker Mauersberger. Die Arbeit in einem sehr heterogen zusammengesetzten Kollegium (das trotz der oben geschilderten massiven Spannungen nicht in viele Einzelgruppen zersplitterte) empfand ich als sehr angenehm, was auch damit zusammenhängt, dass mich insbesondere die GEW-Kolleginnen und Kollegen vor Ort sehr gut unterstützten und berieten. Es war eine neue Erfahrung für mich zu beobachten, wie ein soziales System, das generell durch die für Auslandsschulen typischen Fluktuationen auch noch ständig durch die bereits erwähnten „atmosphärischen Störungen“ belastet war, erstaunlicherweise auch dann noch funktionierte, als es zu immer drastischeren Vorfällen kam, die ich in dieser Form im innerdeutschen Schuldienst noch nie erlebt habe (und hoffentlich nie erleben muss).