Urteil des OVG Niedersachsen
Schulleiter erhält 31.000 Euro für „Zuvielarbeit“
In einem wegweisenden Urteil hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht einem Schulleiter einen finanziellen Ausgleich für „Zuvielarbeit“ gewährt – und damit die Forderung der GEW nach Arbeitszeiterfassung bestärkt.
Ein inzwischen pensionierter Leiter einer niedersächsischen Grundschule hat am 11. Februar 2025 vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen finanziellen Ausgleich in Höhe von rund 31.000 Euro für von November 2017 bis Juli 2022 zu viel geleistete Arbeitszeit zugesprochen bekommen. Der vom Gericht verwendete Begriff „Zuvielarbeit“ macht deutlich, dass es hier um mehr Arbeitszeit als beamtenrechtlich gefordert geht, die weder „Mehrarbeit“ noch „Überstunden“ im Sinne des Beamtenrechts ist. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
„Dieses Urteil bestärkt unsere Forderung, dass die Dienstherren und Arbeitgeber der Lehrkräfte das EuGH-Urteil von 2019 zur Arbeitszeiterfassung umsetzen und endlich auch an den Schulen die gesamte Arbeitszeit erfassen müssen.“
Das mit Rechtsschutz der GEW erstrittene Urteil (Az 5 LC 4/21) ist aus Sicht von GEW-Tarifexpertin Annett Lindner wegweisend: „Es ist einer Lehrkraft gelungen, für geleistete ‘Zuvielarbeit’ eine finanzielle Abgeltung durchzusetzen. Bisher galt in der Regel, dass bei Lehrkräften nur Unterricht erfasst wird und in der Folge auch nur Unterricht Mehrarbeitsvergütung auslösen kann. Dieses Urteil bestärkt unsere Forderung, dass die Dienstherren und Arbeitgeber der Lehrkräfte das EuGH-Urteil von 2019 zur Arbeitszeiterfassung umsetzen und endlich auch an den Schulen die gesamte Arbeitszeit erfassen müssen.“
Zugleich machte Lindner deutlich, dass das Gericht das Misstrauen der Arbeitgeber gegen eine Arbeitszeiterfassung vom Tisch wische: „Das Oberverwaltungsgericht hat grundsätzlich die Selbstaufzeichnungen eines Schulleiters im Rahmen der GEW-Arbeitszeitstudie als Grundlage der Rückzahlungsforderung akzeptiert.“ Für genauere Aussagen müsse aber die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden, die noch nicht veröffentlicht wurde.
Besonders erfreut zeigte sich Lindner darüber, dass das Gericht den GEW-Arbeitszeitstudien – hier der Niedersächsischen Studie aus 2015/16 – mit dem Urteil Beweiskraft zugesprochen hat. Die Landesregierungen der übrigen Länder, in denen die GEW inzwischen mit der Uni Göttingen analoge Studien durchgeführt hat – Hamburg, Berlin, Sachsen und Hessen – könnten sich jetzt nicht mehr wegducken. Der Befund, dass Lehrkräfte im Durchschnitt zu lange arbeiten, gelte bundesweit. Auch die Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften sei bundesweit erforderlich: „Wir fordern die Landesregierungen auf, über die Lehrkräftearbeitszeit und ihre Erfassung mit den Gewerkschaften zu verhandeln. In weiten Teilen der Landesverwaltungen gibt es Dienstvereinbarungen zu Gleitzeit und Arbeitszeiterfassung. Dieses Urteil ist ein weiterer Grund dafür, dass dies endlich auch für Schulen gelten muss“, erklärte das GEW-Vorstandsmitglied.