Schulreinigung
Schulflure in Not
Prekär beschäftigte, häufig wechselnde Menschen putzen in vielen Schulen in Deutschland zu niedrigen Löhnen. Nicht nur in Berlin setzt man sich dafür ein, die Schulreinigung zurück in die Kommune zu holen.
Was Neuköllner Lehrkräfte 2018 erlebten, überrascht selbst nach Berliner Maßstäben. Zurück aus den Sommerferien fanden sie die Gebäude so ungeputzt vor, wie sie diese sechs Wochen zuvor verlassen hatten. Sie zogen in den Discounter, kauften ein, putzten selbst. Der Grund: Der Vertrag mit der alten Reinigungsfirma war ausgelaufen, die neue hatte noch nicht zu arbeiten begonnen. Ein extremer Fall? Vermutlich, doch im Alltag der Privatisierung kann so etwas passieren. Sieben bis neun Firmen und „Reinigungskräfte in dreistelliger Höhe“ habe er in acht Jahren an der Fritz-Karsen-Schule im Süden Neuköllns kennengelernt, erklärte der Hausmeister Detlef Bading bei einer Online-Veranstaltung der Initiative „Schule in Not“. Und korrigierte sich sogleich – von „kennenlernen“ könne keine Rede sein: „Jede neue Firma hatte weniger Stunden zur Verfügung als die alte.“
„Ein Land wie Deutschland soll Schulen nicht sauber halten und Menschen dafür nicht nach den Kriterien guter Arbeit beschäftigen können? Das ist doch absurd!“ Sagt Philipp Dehne, der selbst einmal Lehrer in Kreuzberg und Neukölln war und „Schule in Not“ mitgründete. Seit drei Jahren setzt sich die Initiative unter anderem für die Rekommunalisierung der Schulreinigung in der Hauptstadt ein. Inzwischen haben die Aktiven die GEW Berlin, ver.di, die IG BAU und den DGB an ihrer Seite, zudem die Parlamente in acht von zwölf Bezirken und laut Beschlusslage alle drei Regierungsparteien.
Ausverkauf der öffentlichen Hand wird zum politischen Thema
Ende 2021 wurde die Schulreinigung in die zweite Auflage des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und Linken aufgenommen – mit der Selbstverpflichtung, im kommenden Jahr einzusteigen. Bis dahin solle, so die Vorsitzende der Linken, Katina Schubert, „ausgearbeitet werden, wie es genau funktioniert, damit es funktioniert“. „Schule in Not“ und die Gewerkschaften fordern, sicherzustellen, dass die Bezirke bereits jetzt keine neuen, langfristigen Verträge mit Reinigungsfirmen mehr abschließen. Zudem mahnen sie einen klareren Fahrplan und eine schnellere Besserung der Lage an.
Das Problem Schulreinigung trifft nicht nur die Hauptstadt – und es ist nicht neu. Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie beklagte bereits 2005 die „schlechteren Arbeitsbedingungen der Beschäftigten“, die mit der massenhaften „Auslagerung der Gebäudereinigung aus dem öffentlichen Dienst“ einhergingen. 2008 wies der Frankfurter Sozialwissenschaftler Prof. Tim Engartner auf die Beispiele Freiburg im Breisgau und Dortmund hin: Beide Städte hatten Teile der Reinigung der öffentlichen Hochschulen, Schulen, Kitas und Sportstätten unter das kommunale Dach zurückgeholt.
2020 ging der Personalräte-Preis in Gold nach Düsseldorf, wo mit einem höheren Anteil der Eigenreinigung auch eine bessere Putzqualität festgeschrieben wurde. Festgehalten wurde dies in einer Dienstvereinbarung zwischen dem Personalrat der Allgemeinen Verwaltung und dem Oberbürgermeister. „Zur Nachahmung empfohlen“, lobte die Jury des Personalräte-Preises.
Rekommunalisierung in Stadtstaaten
Dass Berlin im Zentrum steht, hat neben dem Engagement von „Schule in Not“ & Co. auch damit zu tun, dass Rekommunalisierung hier nach Jahrzehnten des Ausverkaufs der öffentlichen Hand zum politischen Thema wurde: Im September 2021 sprach sich eine Mehrheit der Berliner Bevölkerung per Volksentscheid für die Verstaatlichung von Wohnungsbaukonzernen aus. Entscheidungswege, insbesondere finanzielle, seien aber „in den Stadtstaaten, und besonders in Berlin, ungewöhnlich kompliziert“, erklärt der Experte für kommunale Infrastruktur, Robert Kösling. Seit mehr als 20 Jahren berät Kösling Verwaltungen und Gewerkschaften zur Rekommunalisierung; auch in Düsseldorf war er beteiligt.
In der Hauptstadt wird deutlich, wie schwierig es ist, Privatisiertes in die Kommune zu reintegrieren. Unter dem Motto „Saubere Schulen. Eigenreinigung jetzt!“ brachte „Schule in Not“ 2021 Entscheider aus Land und Bezirken zusammen – unter ihnen kein einziger Gegner der Rekommunalisierung. Neben Vertreterinnen aller Regierungsparteien und Vertretern aus drei Bezirken waren GEW- und ver.di-Aktive, Schulleitungen, Lehrkräfte, Landeselternrat und Hausmeister Bading am Start.
Arbeits- und Leistungsstandards bedingen sich gegenseitig
Fazit der rund zweistündigen Debatte: Zuständig für die Rekommunalisierung sind die – finanziell und personell notorisch ausgebluteten – Bezirke. Diese haben Verträge mit Reinigungsfirmen, die sie nur zu bestimmten Fristen kündigen können. Ohne Beschluss des Abgeordnetenhauses haben sie nicht einmal das Geld für Modellprojekte. Pandemiebedingt noch nicht erledigt, gestand Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) bei der Online-Diskussion, sei die notwendige Inspektion aller Schulgebäude. Allein in seinem Bezirk sind das 60:
Wie viele Räume gibt es, sind Aufzüge und Kehrmaschinen, aber auch ein Pausenraum für die kommunalen Reinigungskräfte vorhanden? Er müsse um jeden Platz in „Telefonzellengröße“ kämpfen, warf Hausmeister Bading ein. Weiter ist in den Bezirken zu klären: Welcher Fachbereich ist zuständig? Wie werden die Reinigungskräfte eingruppiert? Und auch dieser Vorschlag kam: Braucht es vielleicht eine zentrale Einrichtung beim Land? Pankows Bürgermeister Sören Benn (Die Linke) schätzte, mindestens sechs bis neun Monate für die Umsetzung zu benötigen. Alle Bezirksvertreter gingen davon aus, dass sich die Kosten etwa verdoppeln würden.
Tatsächlich gebe es „von Cuxhaven bis Bochum“ Kommunen, in denen die Reinigung der Schulen nie outgesourct wurde, so Infrastruktur-Experte Kösling. Denen, die sich auf den Weg machen, Putzleistungen zu rekommunalisieren, teilt er mit: Nach einer „Anfangsinvestition“ müsse kommunale Reinigung nicht teurer sein. Vieles sei mit besserer Arbeitsorganisation und moderner Technik zu kompensieren. Er rät zum Beispiel, Teams zu bilden, die neben der Schule auch die Kita, die Bibliothek oder das Gesundheitsamt in der Nähe reinigen. Doch für Kösling ist auch ein Mix aus Fremd- und Eigenreinigung sinnvoll: „Die Arbeits- und Leistungsstandards bedingen sich dann gegenseitig.“ Denn auch diese Wahrnehmung sei richtig: Kommunale Ausschreibungen setzten zu häufig allein auf den Preis, statt auf faire Arbeit und Qualität. Auch das ließe sich ändern.