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#metwo

Schulen, was tun?

Unter #metwo – was meint, dass es möglich ist, zwei Identitäten zu haben – berichten bei Twitter Tausende über Vorfälle, Begegnungen, Bewertungen, Angriffe, die ihnen klar machten: Sie gehören (sollen) in Deutschland nicht richtig dazu (gehören).

Mitten in den Sommerferien schuf der 24-jährige Aktivist Ali Can mit einem Hashtag auf Twitter eine machtvolle Erzählung über Rassismus: Unter #metwo – was meint, dass es möglich ist, zwei Identitäten zu haben – berichteten Zigtausende über Vorfälle, Begegnungen, Bewertungen, Angriffe, die ihnen klar machten: Sie gehören (sollen) in Deutschland nicht richtig dazu (gehören). Ein erheblicher Teil der Ereignisse spielte sich in der Schule ab. Die Kurzberichte lesen sich zum Beispiel so: „In der 4. Klasse hatte ich im Zwischenzeugnis nur 1en und 2en. Dennoch hat mir die Schule lediglich eine Empfehlung für die Hauptschule ausgesprochen.“ Oder: „Wenn (...) in 14 Jahren Schule kein Lehrer deinen Namen richtig aussprechen wollte oder konnte, trotz mehrmaligem Vorsagen.“

Was können Schulen tun, die nicht wollen, dass auf ihrem Gelände diskriminiert wird – weder auf dem Schulhof noch im Unterricht? Beispiel München: Die Stadt macht vor, wie antirassistische Lehrkräftebildung aussehen kann. Unter dem Titel „Schule der Vielfalt“ bietet das städtische Pädagogische Institut (PI) seit 2012 eine Zusatzqualifikation an – nicht für einzelne Interessierte, sondern für Schulen. Das Prinzip: Mindestens zwei, besser drei oder vier Lehrkräfte absolvieren über zwei Jahre 18,5 Fortbildungstage und entwerfen am Ende eine Projektskizze zur Umsetzung an ihrer Schule. Interessant: Eine so umfangreiche Fortbildung war zunächst gar nicht geplant. „Bei der Konzeption stellten wir fest: Kürzer ist das seriös nicht zu machen“, erklärt Michael Schneider-Velho, Leiter des Fachbereichs Politische Bildung am PI München.

Ein zentraler Grund ist, dass es ohne gründliche Reflexion nicht geht. „Sich den eigenen Bildern im Kopf zu stellen, kritisch zu überprüfen, ob man Schüler unterschiedlicher Herkunft unterschiedlich anspricht: Das braucht Zeit“, so Schneider-Velho, „typisch für Rassismus und Diskriminierung ist ja, dass sie häufig unbewusst geschehen.“ Um sich diesem nicht immer bequemen Bewusstmachen eigener Muster zu nähern, geht es zu Beginn erst einmal drei Tage in ein Seminarhaus aufs Land. Auf das Basismodul „Anti-Bias“ folgen zwei weitere zu interkultureller Verständigung und Rassismuskritik. „In Letzterer setzen sich die Lehrkräfte mit all den Prägungen auseinander, die ihnen die weiße Mehrheitsgesellschaft so mitgegeben hat“, erzählt Schneider-Velho. Erst danach stehen – teils als Wahl-, teils als Praxismodule – Themen auf dem Programm, die bundesweit häufiger zu finden sind: Mehrsprachigkeit und Elternbeteiligung, globales Lernen und Projekte.

„Zentral ist, dass Schulen in ihrem regulären Alltag Verantwortung übernehmen.“ (Mechtild Gomolla)

Davon, alle Schulen der Stadt zu erreichen, ist man in München allerdings noch weit entfernt: 21 nahmen bisher teil, darunter mehrere, die ohnehin bereits offen für Interkulturelles waren. Wer die Begleitforschung des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung München liest, bekommt den Eindruck: Eine Ausweitung könnte sich lohnen. Viele Lehrkräfte, heißt es darin, beschrieben im Anschluss „Veränderungen in ihren Einstellungen“; das belege die „nachhaltige Wirksamkeit“ des „längerfristig angelegten Formats“.

Einen ähnlich gründlichen Weg geht bisher vor allem Hamburg. Dort bietet das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung zusammen mit dem Projekt Bildung Qualifizierung Migration (BQM) eine ebenfalls zweijährige „Qualifizierung zur interkulturellen Koordination“ an. Anders als in München können einzelne Lehrkräfte teilnehmen – unter der Bedingung, dass die Schulleitung ihnen einen zeitlichen und/oder finanziellen Ausgleich gewährt und zu mindestens vier Terminen erscheint. Die Erziehungswissenschaftlerin Mechtild Gomolla, die das Projekt in zwei Evaluationsstudien begleitet hat, beobachtet: „Die Fortbildung ist imstande, das Schulleben wirklich zu verändern.“ Auch sie hält für entscheidend, die Themen Rassismus und Diskriminierung nicht in Einzelprojekten abzuhandeln: „Zentral ist, dass Schulen in ihrem regulären Alltag Verantwortung übernehmen.“