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GEW-Delegation in Nordsyrien

Schulen für Rojava

Auf dem Weg zu einer Bildung auf Grundlage von Gleichwertigkeit: Eine GEW-Delegation hat Solidaritätsprojekte in der kurdischen Autonomieregion in Nordsyrien besucht. Sie nahm vor allem eine Aufbruchstimmung wahr.

Zusammentreffen mit Lehrkräften im kurdischen Gebiet Nordsyriens: GEW-Aktive unterstützen den Aufbau von Schulen.

Ihr Kampf gilt als Symbol des Widerstands gegen die Terrormilizen des sogenannten Islamischen Staats (IS): Im Winter 2014/15 gelang es den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in monatelangen Kämpfen, ihre Heimatstadt Kobanê gegen die selbsternannten Gotteskrieger zu verteidigen. Eine GEW-Delegation, die im Mai die kurdische Autonomieregion, genannt Rojava (Westkurdistan), besuchte, stellte fest: Die Spuren des Krieges sind bis heute sichtbar.

„Wir haben aber auch einen großen Aufbauwillen erlebt“, erzählt Margot Simoneit, eine Lehrerin aus Bayern, die mit den Oldenburger Lehrkräften Birgit Zwikirsch und Christian Katz in die Region reiste. Unterstützt wird der Wiederaufbau unter anderem von verschiedenen Solidaritätsgruppen der GEW. So haben Oldenburger Schülerinnen und Schüler durch einen Spendenlauf rund 50.000 Euro für die Renovierung von zwei Schulen in Kobanê und Girê Spî zusammenbekommen. Eine Solidaritätsgruppe aus dem bayrischen Maisach sammelt Spendengelder, um in Kobanê eine Berufsschule für bis zu 150 Mädchen zu errichten.

Auf Einladung der örtlichen kommunalen Selbstverwaltung informierten sich die Delegationsmitglieder bei ihrem Besuch im Auftrag der Solidaritätsgruppen über die Umsetzung der Projekte. „Unsere Partner haben uns den Bauplatz für die Berufsschule gezeigt. Wenn wir genug Spenden zusammen haben, kann der Bau beginnen“, berichtet Simoneit. 100.000 Euro wurden in Maisach bereits gesammelt. Benötigt wird jedoch die doppelte Summe.

Nachdem die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad sich 2012 aus den mehrheitlich von Kurdinnen und Kurden bewohnten Gebieten im Norden Syriens zurückgezogen hatten, gründeten diese die drei autonomen Kantone Afrin, Kobanê und Cizre und bauten regionale Machtstrukturen auf. Mit einem „Gesellschaftsvertrag der Demokratischen Föderation Nordsyrien“ verabschiedeten sie sich vom Nationalstaatsprinzip; Ziel ist der Aufbau einer demokratischen und pluralistischen, Minderheiten- und Menschenrechte schützenden Gesellschaftsform. Auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist verankert. Allerdings sind noch nicht alle ethnischen Spannungen in der Autonomieregion ausgeräumt, Teile der arabischen Bevölkerung stehen dem neuen System noch skeptisch gegenüber.

Im Gespräch mit Kollegen

Die Delegationsmitglieder nahmen in den Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der Selbstverwaltung und dem Vorsitzenden des Bildungsrats vor allem eine Aufbruchstimmung wahr. Beim Besuch der Oldenburger Partnerschulen bot sich Gelegenheit für ausführliche Gespräche mit den meist sehr jungen Lehrkräften. Besonders beeindruckt, erinnert sich Simoneit, hätten sie die „Anstrengungen, unter denen das neue Bildungswesen aufgebaut wird“ – und zwar nach Vorstellungen, „die sich meist mit unseren gewerkschaftlichen Haltungen zu Diversität und Antidiskriminierung decken“.

Ihre Kollegin Zwikirsch ergänzt, dass Bildung „auf Grundlage von Gleichwertigkeit“ vermittelt werde, auch Demokratie- und Friedenserziehung würden als wichtige Aufgaben der Schule begriffen. Die GEW-Delegation begrüßte zudem, dass nach Auskunft ihrer Gesprächspartner in Kobanê Schulgebühren abgeschafft und Lehrmittelfreiheit eingeführt worden seien. Zudem sei ein durchgängig mehrsprachiges Unterrichtsangebot entwickelt worden.

Die politische Lage in der Region bleibt allerdings angespannt: Bereits im Frühjahr hat das türkische Militär Afrin eingenommen; aktuell bereitet die Türkei laut Medienberichten eine weitere Offensive entlang der türkisch-syrischen Grenze vor. Gewerkschafterin Simoneit ist beunruhigt, sieht die Zukunft des Berufsschulprojekts aber nicht gefährdet. Im Gegenteil: „Das zeigt, wie wichtig unsere Solidarität ist.“