Zum Inhalt springen

GEW in Bildung unterwegs

„Schule ist Lebensraum“

Worms ist eine sehr alte Stadt. Etwas jünger sind die Schulen. Aber auch hier steht die Kommune vor erheblichem Sanierungsbedarf. Einblick bekam die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe beim Besuch der Nibelungen Realschule plus.

Etwas mehr als einen Steinwurf vom Rhein entfernt, wo Hagen den sagenhaften Schatz der Nibelungen versenkte, steht die Nibelungen Realschule plus. Unweit des Nibelungenturms und der gleichnamigen Rheinbrücke sticht das markante Gebäude dem Besucher sofort ins Auge. „Wir haben großen Wert darauf gelegt, die historische Bausubstanz zu erhalten“, sagt Uwe Franz. Bis 2022 will die Stadt 14 Millionen Euro in die Sanierung der fast 120 Jahre alten Schulgebäude stecken“, informiert der Baudezernent die GEW-Vorsitzende. Tepe will sich im Rahmen ihrer Tour durch die Bundesländer GEW in Bildung unterwegs schlau machen.

Von dem, was Tepe bei ihrem Rundgang durch die Schule sieht, ist sie sichtlich angetan: Die Stadt ist die Aufgabe mit Liebe zum Detail angegangen. Schallschutzdecken sorgen für eine bessere Akustik, Heizung und Licht regulieren sich nun automatisch, WLAN kann künftig bei Bedarf im Unterricht jederzeit aktiviert werden, die Räume für Physik und Chemie ermöglichen es den Lehrkräften, die Schülerinnen und Schüler aktiv einzubeziehen. Nicht alles, was wünschenswert gewesen wäre, habe gemacht werden können, sagt Franz. Die Anforderungen von Denkmal- und Brandschutz, Schulbaurichtlinien sowie finanzielle Rahmenbedingungen mussten in Einklang gebracht werden.

Die Schülerinnen und Schüler haben bei der Sanierung tatkräftig angepackt. Sie halfen etwa, Klassenzimmer auszuräumen und in andere Räume umzuziehen. Für viele ist die Schule ein zweites Zuhause. Ein Großteil der Kinder und Jugendlichen hat einen Migrationshintergrund oder kommt aus bildungsfernen Schichten. Aufgrund ihres Einzugsbereichs hatte die Schule in der Vergangenheit lange mit einem schlechten Image zu kämpfen. Entsprechend schlecht waren die Karten der Schülerinnen und Schüler auf dem Arbeitsmarkt.

„Die Kolleginnen und Kollegen kennen die Umstände am besten. Sie müssen auch künftig in den Räumen arbeiten und wissen, was angesagt ist.“ (Klaus-Peter Hammer)

Die Realschule plus gibt es nur in Rheinland-Pfalz. „Unter der Bezeichnung wurden mit dem Schuljahr 2009/10 alle Haupt- und Realschulen zusammengeführt“, informiert Klaus-Peter Hammer, Vorsitzender der GEW in Rheinland-Pfalz. Er lobt die Stadt Worms, dass sie die Lehrerinnen und Lehrer in allen Phasen der Gebäudesanierung mit eingebunden habe: „Die Kolleginnen und Kollegen kennen die Umstände am besten. Sie müssen auch künftig in den Räumen arbeiten und wissen, was angesagt ist.“ Nicht umsonst würden Schulgebäude auch als dritter Pädagoge bezeichnet.

Sozialarbeiterin Christine Schuppel übt beim Besuch der GEW-Vorsitzenden gerade soziales Lernen. Wie die Mohawk beim Bau der New Yorker Hochhäuser sollen die Schülerinnen und Schüler der 7 b auf Latten über einen Parcours balancieren. Die Übung will vermitteln, dass viele Dinge im Leben leichter zu machen sind, wenn man sich gegenseitig unterstützt. Als sich Tepe auch auf die Holzleisten wagt und abzustürzen droht, greifen Erkan und Dejan stützend ein. Seit 2000 gibt es die Schulsozialarbeit. Sie soll die Heranwachsenden in ihrer Entwicklung fördern, sie konfliktfähiger und lösungsorientierter machen, aber auch Werte, Disziplin, Selbstbeherrschung und -behauptung vermitteln.

25 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten an der Schule etwa 300 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 10 in 15 Klassen. „Dazu kommen noch eine Schulsozialarbeiterin, zwei Jobfüxe (Experten für Ausbildung und berufliche Qualifizierung) und zwei PES-Kräfte (verringern den Ausfall von Stunden)“, sagt der kommissarische Schulleiter Jörg Schrader. Auch erhält ein Fünftel der Jugendlichen ergänzend zum Fachunterricht noch Deutschstunden. Selbst einen Alphabetisierungskurs gibt es an der Schule.

„Die Qualität der Schulinfrastruktur darf nicht von Reichtum oder Armut einer Kommune abhängen. Nur dann haben Kinder gleiche Chancen.“ (Marlis Tepe)

Die Schwerpunkteprogramme der Schulen wie Berufsorientierung und Gewaltprävention sind landesweit ausgezeichnet worden. Der Übergang von der Schule in den Beruf ist besonders wichtig. Bereits ab der fünften Klasse setzen sich die Heranwachsenden mit dem Thema Berufswahl auseinander. Das soll ihnen helfen, den richtigen Einstieg in das Berufsleben zu finden. Regelmäßig gibt es Entwicklungsgespräche mit dem Kind, den Eltern und der Klassenlehrkraft. Eine schuleigene Berufsinformationsmesse, das Job-Fux-Projekt, sowie die Schul- und Berufs-Klasse (SchuB) für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf flankieren die Arbeit.

Die GEW-Vorsitzende hört zu, hakt nach, will wissen, wie eine Kommune, die nicht gerade zu den reichsten im Land gehört, so ein anspruchsvolles Projekt bewältigt. Und sie erinnert daran, dass sich die GEW früh dafür eingesetzt habe, Ländern und Kommunen dauerhaft mehr Geld für Bildung zur Verfügung zu stellen: „Die Qualität der Schulinfrastruktur darf nicht von Reichtum oder Armut einer Kommune abhängen. Nur dann haben Kinder gleiche Chancen.“ Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat im September den Investitionsstau im Bereich der Schulgebäude auf 42 Milliarden Euro veranschlagt. Damit verglichen sind die beiden nun angestoßenen Förderprogramme des Bundes von jeweils 3,5 Milliarden ein Tropfen auf den heißen Stein.

„Schule ist ein Lebensraum, in dem ganz Junge mit Alten und ganz Alten nach bestimmten Regeln zusammenkommen. Diesen Raum gilt es zu gestalten.“ (Margit Zobetz)

Bildung steht im Stadtparlament bei allen Parteien ganz oben auf der Agenda: Worms wird in den kommenden drei Jahren 100 Millionen Euro in Schulen investieren. „Wir können aber nicht im notwendigen Maße sanieren, weil uns in der Verwaltung die Leute für die Planung fehlen.“ Manches Förderprogramm komme auch zur Unzeit, findet der Baudezernent. „Wir planen unsere eigenen Investitionsvorhaben und sollen dann möglichst schnell reagieren. Zudem ist der Zeitrahmen für die Förderung oft zu eng gesetzt. Und vielen Kommunen fehlt schlicht das Geld, um eine Eigenbeteiligung von zehn Prozent zu gewährleisten.“

Doch so wichtig Geld ist: Es deckt nur einen Teil guter Bildung ab. Es kommt aber auch auf die Menschen an, die in der Schule arbeiten. Ein „sehr eng verbundenes und vernetztes Kollegium“ nennt Schrader als Voraussetzung für den pädagogischen Erfolg der Nibelungen Realschule plus. „Wir haben uns immer als Team verstanden, das an einem Strang zieht. Vielleicht sind wir auch deshalb näher an den Schülerinnen und Schülern dran.“ Auch die Tür der Schulleitung stehe immer offen, wenn jemand da ist. „Schule ist ein Lebensraum“, sagt die frühere Leiterin der Schule, Margit Zobetz, „in dem ganz Junge mit Alten und ganz Alten nach bestimmten Regeln zusammenkommen. Diesen Raum gilt es zu gestalten.“